Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
LICIA TROISI Die Schattenkämpferin
DER FLUCH DER ASSASSINEN
AUS DEM TAGEBUCH DER ZAUBERIN THEANA
Ich habe Angst. Gerade habe ich meine Sachen gepackt. Die Tasche liegt auf dem Bett, darin alle Bücher, die ich wahrscheinlich brauchen werde. Daneben Ampullen, Fläschchen und alles Notwendige für die Zauber. Die Stille dröhnt so laut, dass es mir in den Ohren wehtut.
Ich habe einen sonderbaren Entschluss gefasst, einen Entschluss, der nicht zu mir passt. Vielleicht ist es ein Fehler. Ich bin doch eine Schülerin des angesehenen Meisters Folwar, ich bin Theana, eine Hofmagierin. Wie komme ich dazu, mit einer Mörderin durch die Aufgetauchte Welt zu ziehen, und das mit dem Ziel, den König des Landes der Sonne zu töten?
Diese Schattenkämpferin ist klein und hat kurz geschnittenes kastanienbraunes Haar und dunkle Augen. Außergewöhnlich schön finde ich sie nicht. Ihr Name ist Dubhe. Sie gehörte zu jener Sekte, die im Namen meines Gottes, im Namen Thenaars, den Mord verherrlicht und die Lehre verbreitet, dass Töten ein gottgefälliger Akt sei. Soweit ich weiß, hat die Gilde sie durch eine heimtückische List an sich gebunden und mit einem Fluch belegt. Dabei handelt es sich um ein Siegel, das die schlimmsten Seiten ihrer selbst zutage treten lässt und sie zu einer blutrünstigen Bestie macht. Man hatte ihr erklärt, nur in der Gilde könne sie davon geheilt werden, eine Lüge, mit der man sie zu einer gefügigen Mitstreiterin machte. In Wirklichkeit nämlich kann das Siegel nur von jenem Magier gebrochen werden, der es ihr auferlegt bat. Doch obgleich Dubhes Schicksal so entsetzlich ist, nehme ich keinerlei Anteil daran.
Auch wenn ich mich bemühe, ihre Lage und ihren Schmerz zu verstehen, will es mir nicht gelingen, auch nur einen Hauch von Mitleid mit ihr zu empfinden. Und ich habe noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen deswegen. Vielleicht hin ich ein niederträchtiger Mensch. Vielleicht bin ich im Grunde böse.
Aber die Wahrheit ist, dass ein Mann zwischen uns steht: Lonerin, der mit mir zusammen bei Meister Folwar die Magie erlernt hat und mir immer ein wenig voraus war. Kennengelernt hat er sie, als sie noch in den Katakomben der Gilde lebte und er vom Rat der Wasser dort als Späher eingeschleust wurde. Uns war nämlich Zugetragen worden, dass Dohor, der König des Landes der Sonne, einen geheimen Pakt mit der Mördersekte geschlossen hatte. Ganz auf sich allein gestellt wäre es Dohor sicher unmöglich gewesen, fast alle Länder der Aufgetauchten Welt zu erobern. Lonerin hatte sich freiwillig dafür gemeldet, die Gilde auszukundschaften. Weil er aus dem Land der Nacht stammt, wo der Bau der Sekte liegt, und er sich daher in der Gegend gut auskennt, war man im Rat schließlich bereit, ihn mit dieser Aufgabe zu betrauen. Um ins Herz der Gilde Zu gelangen, gab er sich als Postulant aus, als einer jener bedauernswerten Menschen also, die sich Zum Tempel der Assassinensekte aufmachen und dort ihr eigenes Leben Thenaar opfern, um damit das Leben eines anderen zu retten. Ich kenne Lonerin, meinen Lonerin, so gut, dass mir das Herz wehtut, wenn ich an den wahren Grund für seine Entscheidung denke. Neben ihm bin ich die Einzige im Rat, die die Wahrheit kennt. Er tat es wegen seiner Mutter. Als er noch ein kleiner Junge war, opferte sie sich für ihn im Tempel und erflehte von dem Schwarzen Gott, dass er Lonerin vom Roten Fieber heilen möge. Seit damals hat der Gedanke, einmal Rache Zu nehmen, niemals sein Herz verlassen. Ich brauche ihm nur in die Augen zu schauen, um das zu erkennen.
Dort, im unterirdischen Bau der Gilde, sind sich Lonerin und Dubhe dann begegnet. Und sie schlossen einen Pakt: Sie würde für ihn ermitteln und er im Gegenzug nach einem Weg suchen, sie von dem Siegel zu befreien. Zusammen flohen sie, nachdem sie herausgefunden hatten, dass die Ketzer planen, Aster wiederauferstehen zu lassen, jenen Tyrannen, der vierzig Jahre zuvor fast die gesamte Aufgetauchte Welt unterjocht hatte. Für die Gilde ist er ein Messias, der Einzige, dem es gelingen könnte, jene von Blut und Gewalt beherrschte Welt zu errichten, die sich die Sekte erträumt. Zurzeit schwebt Asters Geist bereits in einer Art Vorhölle zwischen unserer Welt und dem Jenseits, in einer Kugel an einem geheimen Ort tief im Herzen der Gilde, während die Sekte emsig bemüht ist, einen geeigneten Körper zu finden, in den sich sein Geist verpflanzen lässt-, einen Körper, in dem Halbelfenblut fließt, so wie in seinem. Und
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