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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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Schrank fand er eine saubere Hose und eins der alten Konzert- T -Shirts. Rolling Stones.
    Hinter verdreckten Gläsern und leeren Bierflaschen in der Küche lag sein Handy auf der Anrichte. Fünfzehn verpasste Anrufe. Zwei von Larry, die anderen von Derek. Tim hatte keine Lust, sich die Nachrichten anzuhören. Verloren stand er da. Starrte auf den Hängeschrank, in den er die Scheidungspapiere gelegt hatte.
    Er hätte sie ins Feuer schmeißen sollen.
    Er öffnete die Fenster, atmete tief aus. Besser.
    Am Kühlschrank klebte noch der Ausriss vom »Lazyboy«, dem großen Fernsehsessel. Er stellte sich gerade vor, wie es wäre, darin zu sitzen, als es an der Tür klingelte.
    Resolut stellte sich Mario Sanchez’ Schwägerin als Mercedes vor. Sie hatte noch eine Frau dabei. Jünger, hübsch. Schüchtern.
    Die Frauen waren mit Eimern, Wischern und Putzmitteln gekommen.
    Beschämt führte Tim die beiden durchs Haus. Es sah wirklich ziemlich wüst aus. Zum Glück hatte er wenigstens schon die Fenster geöffnet.
    Mercedes schien unbeeindruckt. Mario Sanchez hatte sie ganz sicher vorgewarnt. Die Jüngere wirkte schockiert, als sie das Wohnzimmer sah. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. Leise flüsterte sie etwas auf Spanisch.
    Mercedes inspizierte wortlos alle Räume. Dann ließ sie sich Waschmaschine und Trockner zeigen. Als sie wieder im Flur angekommen waren, griff sie Tims Arm. »Geben Sie uns sechs Stunden.«
    Er parkte wieder auf demselben Parkplatz abseits vom Sunset. In der Nähe des Guitar Centre.
    Erst jetzt streifte ihn wieder ein Gedanke an das Vorstellungsgespräch. Seine Hoffnung auf eine Zusage von Dee ging gegen null. Je mehr Tage vergingen, desto unwahrscheinlicher schien es ihm, dass Dee ihm den Zuschlag geben würde. Je mehr Zeit verging, desto weniger konnte er sich vorstellen, was noch vor wenigen Tagen greifbar nahe schien: täglich sein Auto auf dem Angestelltenparkplatz hinter dem roten Gebäude zu parken. Die Arbeitstasche unter dem Arm in das Guitar Centre zu marschieren. In der Lunchbreak in der kleinen Espressobar um die Ecke zu sitzen. Wahrscheinlich würde ein tätowierter Musikfreak den Job bekommen. Ein Jüngerer, einer, der lässig war und nicht so ein Arsch, wie er es war. Jemand, der den Job verdiente.
    Egal. Dann würde er etwas anderes finden.
    Er pfiff, als er den Sunset herunterlief. In der Espressobar war kaum Betrieb. Er bestellte einen Doppelten. Mit Biscotti. Wasser dazu. Das Mädchen, das geschickt mit der Espressomaschine hantierte, hatte eine gepiercte Augenbraue und rabenschwarzes Haar. Blaue Augen. Sommersprossen.
    »Wasser dazu ist echt wichtig.« Sie stellte ein großes Wasserglas neben die kleine Tasse. An jedem Finger trug sie mindestens einen Ring. Er bemerkte Reste von roter und grüner Farbe an ihrer rechten Hand.
    »Sonst bekommste noch ’n Herzinfarkt«, sagte sie, nachdrückliches Nicken dazu.
    Er setzte sich auf einen abgewetzten Barhocker an den Holztresen am Fenster und blickte auf den Sunset Boulevard. Stellte sich vor, wie Mercedes und die andere versuchten, das Chaos in seinem Haus in den Griff zu kriegen. Wie sie dabei über ihn fluchten und die Augen rollten.
    Er fragte sich, was Derek jetzt von ihm dachte. Shit. Sein Sohn hatte ihn vollgekotzt und nackt hinter dem Sessel gefunden. Derek war sauer und aufgewühlt gewesen, zu Recht. Ob er Liz davon erzählen würde? Wie sah ihr Gesicht aus? Er wusste es nicht mehr.
    Er musste sich ablenken und schnappte sich eine Zeitung vom Nachbartisch. L.A. Times. Seit Jahren las er nur die New York Times. Im Kulturteil sah er, dass es viele der Konzerthallen von früher noch gab. Viele bekannte Bands spielten in Los Angeles. Die Rolling Stones, Ben Harper, Bruce Springsteen, alle innerhalb einer Woche. Er war beeindruckt und hatte plötzlich Lust, Musik zu hören. Es war Jahre her, dass er in ein Livekonzert gegangen war. Verstohlen riss er die Seite heraus. Aber mit wem sollte er hingehen?
    Er hatte keine Freunde in L.A . Er würde alleine gehen müssen. Verdammt.
    Noch einen Espresso.
    Wenig später ging er mit großen Schritten den Sunset hinunter, hörte die Mailbox ab.
    »Mein Fraynd …« Larrys Stimme klang rau. Stimmengewirr im Hintergrund, eine Flughafendurchsage. »Tut mir leid, bin früh los heute … ich bin schon am Flughafen … es war eine super Party! Echt abgedreht!« Lautes Lachen. Dann Husten. »Mein Fraynd … habe dich nicht mehr gesehen irgendwann … Alfie auch nicht … ruf mich an …

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