Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
und … danke für alles!«
Derek. Er klang gehetzt. Unterdrückte Angst in seiner Stimme. »Dad? Was ist los? Ruf mich an!« Und: »Dad, melde dich! Shit …«
Die restlichen Nachrichten löschte Tim ungehört. Er hatte seinem Sohn einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Er würde ihn möglichst bald anrufen. Oder vielleicht zum Essen einladen. Er musste an The Ivy denken, vielleicht doch lieber anrufen.
Die Sonne kam hinter den Wolken hervor. Er setzte sich auf die Bank an einer runtergekommenen Bushaltestelle. Rauchte mit geschlossenen Augen und genoss die Wärme auf der Haut.
Irgendwann stand er auf, um sich den fast vergessenen Wunsch zu erfüllen, einen »Lazyboy« zu kaufen. Folgte dem spontanen Gedanken, dass das genau das war, was er jetzt brauchte.
Ein großes Möbelhaus in Culver City. Der schmächtige Verkäufer ließ seine Hand über die Lehne des Lazyboy gleiten. Auf dem kleinen goldenen Metallschild, das an seinem grauen V -Ausschnitt-Pullover heftete, stand »Bill«. »Dieses Modell ist aus hautsympathischem Velours. Absolut fleckenunempfindlich!« Er klang stolz. So, als habe er den Bezug erfunden.
Angenehm kühle Aircondition-Luft. Sanfte Musik im Hintergrund und Bill mit grauem Anzug im Vordergrund. Er machte eine einladende Geste. »Bitte, setzen Sie sich doch einfach mal rein.«
Der Sessel war überraschend fest und weich zugleich.
Zum ersten Mal seit Jahren hatte er das Gefühl, in einem Sessel zu sitzen, der für seine Größe gemacht schien. Phantastisch. Er konnte die schweren Knochen komplett dem Stuhl überlassen. Kopfstütze und Rückenlehne waren angenehm gepolstert, sein Nacken entspannte sich sofort.
Die Beine ruhten auf gepolsterten Bein- und Fußstützen.
Bill zwinkerte ihm aufgeregt zu. »Darf ich?« Dann klappte er einen Teil der linken Armlehne hoch und griff eine Fernbedienung aus einem versteckten Fach. Lautlos fuhr die Beinstütze hoch. Die Rückenlehne glitt nach hinten.
Tim hatte jetzt das Gefühl zu schweben.
»Wir haben es hier mit außerordentlichem Sitzkomfort zu tun. Alle Lazyboys haben eine Federkernpolsterung und besonders großzügige Rückensteppung. Wir nennen die elektronisch verstellbaren Positionen den ›Comfort Click‹ …«
Bills Stimme entfernte sich. Tim hatte für einen Moment die Augen geschlossen. Mein Gott, sein Körper wurde auf angenehmste Weise gehalten. Wie in einer unsichtbaren Umarmung.
Er vertraute sich diesem Möbelstück an.
»Sir?«
Tim schlug die Augen auf. »Sorry!«
Der schmale Verkäufer lachte nervös. »Ich darf das als Kompliment an unseren Sitzkomfort verstehen.«
Tim ließ den Blick über die Gruppe von Lazyboys schweifen. Er musste diesen Sessel besitzen, ihm war klar, dass er den Laden nicht verlassen würde, ohne einen Lazyboy zu kaufen. »Haben Sie auch Recliner im Angebot?«
Bill führte ihn in den hinteren Teil des Ladens und wies auf einige besonders große Sessel. Bordeauxrotes Leder. Auf einem großen Schild stand »Sale!«.
Die Farbe war zwar extrem, aber wieso nicht? Sie erinnerte Tim an die Sitzecken bei Musso & Frank’s.
»Dieses Modell könnten wir heute noch liefern.« Bill reckte das Kinn. Er wusste, dieser Kunde würde ihm nicht mehr durch die Lappen gehen. »Und mit 689 Dollar liegen Sie preislich wirklich gut.«
Tim nickte dem Lazyboy zu.
Sorgfältig faltete er den Kassenzettel zusammen. Knapp 700 Dollar. Aber das war es wert, das war mehr als nur ein Sessel. Sein erstes eigenes Möbelstück.
Es war immer noch warm. Das Licht weniger grell, angenehm jetzt um diese Tageszeit.
Blick zur Uhr. Er hatte noch fast zwei Stunden Zeit.
Zufrieden fuhr er zum Griffith Park.
Tief atmete er die Waldluft ein. Natürlich war der Wald nicht so dicht wie in Arkansas. Aber immerhin grün und Schatten spendend. Braunes Gras bog sich im Wind. Die Sonne lugte hinter Wolken hervor. Herbst.
Er kannte den schmalen Weg. Früher war er hier morgens öfter gejoggt. Er sah sich um. Überall dichte Büsche, Baumstämme, kleine Lichtungen. Liz hatte irgendwo hier Peter getroffen.
Für einen Moment wünschte er sich, sie würde neben ihm gehen. Einfach nur gehen. Nicht reden. Er hatte das Gefühl, ein schweigender Spaziergang würde ihnen guttun.
Er sah sich um, lauschte. Er war allein. Hörte nur seine eigenen Schritte und sanftes Rauschen von Gras und Blättern. Er richtete den Blick auf den Pfad vor sich. Konzentriert. Auf seine Füße, die in gleichmäßigem Rhythmus einen Schritt nach dem anderen taten, die
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