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Als der Meister starb

Als der Meister starb

Titel: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Beilen, einige auch mit Enterhaken oder langen Belagnägeln. Trotz des Ernstes der Situation musste ich ein Lächeln unterdrücken. Die Männer erinnerten mich an Kinder, die sich vorgenommen hatten, Pirat zu spielen.
    Aber das Gefühl der Heiterkeit verflog sofort, als ich an Bannermann vorbei sah und den Nebel erblickte. Obwohl ich es nicht mehr für möglich gehalten hatte, war er noch dichter geworden, und die Stille, die ihn begleitete, hatte jetzt etwas Erstickendes.
    »Montague«, begann Bannermann übergangslos. »Ich muss mit Ihnen reden.« Zwischen seinen Brauen entstand eine Falte, als wir uns ihm näherten und er sah, wie gesund und kräftig der Mann, um dessen Leben er und ich noch vor wenigen Stunden gezittert hatten, plötzlich war. Aber er verlor kein einziges Wort darüber. »Sie wissen mehr, als Sie bisher zugegeben haben«, behauptete er plötzlich. »Sie wissen, was den Mann getötet hat, nicht?«
    Andara sah ihn ernst an, drehte sich halb um und blickte aus zusammengekniffenen Augen über das Deck zu der herausgebissenen Stelle, die im Nebel nur noch ein großer, finsterer Schatten war.
    »Ja«, antwortete er nach sekundenlangem Zögern. »Jedenfalls fürchte ich es. Aber ich kann es Ihnen jetzt nicht erklären«, fügte er hinzu, bevor Bannermann Gelegenheit hatte, etwas zu sagen. »Ich wäre so oder so zu Ihnen gekommen, Captain. Wir müssen hier verschwinden. Das Schiff muss sofort Fahrt aufnehmen. Was gerade passiert ist, war nur der Anfang, Bannermann. Dieses Ding wird weiter töten, wenn wir hierbleiben.«
    »Aber ich kann es nicht!«, begehrte Bannermann auf. Sein Zorn hatte etwas Hilfloses, und für einen Moment tat er mir leid. Ich wusste, wie schwer es war, sich gegen Andara durchsetzen zu wollen. »Ich weiß nicht, was dieser verdammte Nebel zu bedeuten hat, und wenn ich ehrlich sein soll, dann beginne ich allmählich wieder an den Klabautermann zu glauben, aber das Schiff kann sich nicht bewegen, Montague!«
    »Dann müssen wir rudern.«
    Bannermann stieß einen komisch klingenden Laut aus. »Rudern? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass auch nur einer meiner Männer einen Fuß in eines der Boote setzen wird, solange dieses Monster dort draußen ist? Sie haben doch gesehen, was mit Gordon passiert ist!«
    »Ich werde sie schützen«, sagte Andara. »Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber wir haben keine andere Wahl. Keiner Ihrer Männer wird London lebend erreichen, wenn wir das Schiff nicht von der Stelle bewegen können.«
    »Wissen Sie, wie viel die LADY wiegt?«, fragte Bannermann. Seine Stimme zitterte. »Es ist so gut wie unmöglich, ein Schiff dieser Größe mit nur vier Booten zu schleppen. Und die Männer werden sich weigern. Sie haben Angst, Montague!«
    Andara schwieg einen Moment, aber der innere Zweikampf, der sich hinter seiner Stirn abspielte, war deutlich in seinem Gesicht zu lesen.
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, murmelte er schließlich. »Aber vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit. Lassen Sie die Boote bereit machen, Captain. Und schicken Sie Ihre Männer in die Rahen.« Er lächelte dünn. »Es kann sein, dass wir bald Wind bekommen.«
    Bannermann starrte ihn verdutzt an, aber Andara gab ihm keine Gelegenheit, irgendetwas zu sagen. Er fuhr herum, eilte mit weit ausgreifenden, federnden Schritten die Treppe zum Achterdeck hinauf und blieb zwei Schritte vor der hinteren Reling stehen. Bannermann blickte ihm kopfschüttelnd nach.
    »Was ist mit ihm?«, flüsterte er. »Ist er verrückt geworden?«
    »Das wohl am allerwenigsten«, antwortete ich. »Sie sollten tun, was er sagt, Captain. Ich glaube, wenn uns noch jemand hier herausholen kann, dann er.«
    Bannermanns Blick nach zu urteilen, begann er nun auch an meinem Verstand ernsthaft zu zweifeln. Trotzdem drehte er sich nach sekundenlangem Zögern um und begann die Matrosen mit erhobener Stimme hin und her zu scheuchen. Von einer Sekunde auf die andere breitete sich eine hektische, nervöse Aktivität auf dem Deck aus: Männer kletterten geschickt wie Affen die Masten hinauf und begannen ihre Plätze in den Rahen einzunehmen, andere liefen zu den Booten, zerrten die Schutzplanen herab und begannen die Ketten der Davids straffzuziehen, wieder andere standen scheinbar untätig herum, starrten in den Nebel und fingerten nervös an ihren Waffen. Es waren die Männer mit den Gewehren, die nicht arbeiteten, und ich begriff, dass Bannermann alle Vorbereitungen getroffen hatte, das Ungeheuer würdig zu

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