Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
wurden sie fromm, wie es sich für Christbaumkerzen geziemt, und hielten fest. Es war gut. Unterhalb, am Fuße des Bäumchens, legte ich den Wecken hin.
Da hörte ich über der Stube auf dem Dachboden auch schon Tritte – langsame und trippelnde. Sie waren schon da und segneten den Bodenraum. Bald würden sie in der Stube sein. Ich zündete die Kerzen an und versteckte mich hinter dem Ofen. Noch war es still. Ich betrachtete vom Versteck aus das lichte Wunder, wie in dieser Stube nie ein ähnliches gesehen worden. Die Lichtlein auf dem Baum brannten so still und feierlich – als schwiegen sie mir himmlische Geheimnisse zu. Aber da fiel es mir ein – wenn sie niederbrannten, bevor die Leute kommen! Wie konnte ich’s denn hindern? Wie sollte ich sie denn zusammenrufen? Da konnte ja alles ganz dumm misslingen! Es ist gar nicht so leicht, Christkindl zu sein, als man glaubt.
Endlich hörte ich an der Schwelle des Vaters Schuhe. Die Tür ging auf, sie traten herein mit ihren Weihgefäßen und standen still.
»Was ist denn das?!«, fragte der Vater mit leiser, lang gezogener Stimme. Der Kleine starrte sprachlos drein. In seinen großen runden Augen spiegelten sich wie Sternlein die Christbaumlichter. – Der Vater schritt langsam zur Küchentür und flüsterte hinaus: »Mutter! – Mutter! Komm ein wenig herein.« Und als sie da war: »Mutter, hast du das gemacht?«
»Maria und Josef!«, hauchte die Mutter. »Was habens’ denn da auf den Tisch getan?« Bald kamen auch die Knechte, die Mägde herbei, hell erschrocken über die seltsame Erscheinung. Da vermutete einer, ein Junge, der aus dem Tale war: Es könnte ein Christbaum sein. Sollte es denn wirklich wahr sein, dass Engel solche Bäumlein vom Himmel bringen? – Sie schauten und staunten. Und aus des Vaters Gefäß qualmte der Weihrauch und erfüllte schon die ganze Stube, sodass es war wie ein zarter Schleier, der sich über das brennende Bäumchen legte.
Die Mutter suchte mit den Augen in der Stube herum: »Wo ist denn der Peter?«
»Ah«, sagte der Vater, »jetzt schon, jetzt ahn ich schon, wer das getan hat.«
Da erachtete ich es an der Zeit, aus dem Ofenwinkel hervorzutreten. Den kleinen Nickerl, der immer noch sprachlos und unbeweglich war, nahm ich an dem kühlen Händchen und führte ihn vor den Tisch. Fast sträubte er sich. Aber ich sagte – selber tief feierlich gestimmt – zu ihm: »Tu dich nicht fürchten, Brüderl. Schau, das lieb’ Christkindl hat dir einen Christbaum gebracht. Der ist dein.«
Und da hub der Kleine an zu wiehern vor Freude und Rührung und die Hände hielt er gefaltet wie in der Kirche.
Öfter als vierzigmal seither hab ich den Christbaum erlebt, mit mächtigem Glanz mit reichen Gaben und freudigem Jubel unter Großen und Kleinen. Aber eine größere Christbaumfreude, ja eine so heilige Freude habe ich noch nicht gesehen als jene meines kleinen Brüderleins Nickerl – dem es so plötzlich und wundersam vor Augen trat – ein Zeichen dessen, der da vom Himmel kam.
Solange die Lichtlein brannten, war es wie ein Gottesdienst, während der Mutter auf dem Herde richtig ein paar Krapfen verschmorten. Erst als die Lichtlein verloschen, eins ums andere, bis auch das letzte mit ein paar knisternden Flackern dahin war, huben die Leute an zu reden und einer brachte, weil es ja finster geworden war, von der Küche ein rötliches Spanlicht herein.
»Was denn da drunterliegt!«, sagte der Vater und zeigte auf den Wecken. »Nickerl, mich deucht, das gehört auch dir.«
Der schöne bräunliche Wecken, mit Weinbeerln gespickt – weil es Weihnachtsgebäck war –, wurde dem Kleinen in die Hand gegeben. Er hielt ihn ganz hilflos vor sich. Die Freude wurde nicht größer, weil sie nicht mehr größer werden konnte. Der Christbaum allein hatte sein ganzes Herzlein ausgefüllt, sowie er auch unsere Kinder ausfüllen würde, wenn der himmlische Lichterbusch nicht so sehr mit irdischem Tand verweltlicht würde.
Nachher beim Nachtmahl wurden allerhand Meinungen laut.
»Heut tat eigentlich ‘s Krippel auf den Tisch gehören«, meinte die alte Magd.
»’s Krippel ist eh da oben«, entgegnete der Vater und wies gegen den Wandwinkel, wo neben mehreren Heiligenbildern mit kleinen Figuren auch die Darstellung der Geburt Christi war.
»’s kommt halt eine neue Mod’ auf«, wusste der Junge aus dem Tal zu sagen. »Der lutherisch’ Verwalter in Mitterdorf hat in ganz Mürztal den Christbaum aufgebracht. Aber da sind wenigstens gute Sachen
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