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Als wäre es Liebe

Als wäre es Liebe

Titel: Als wäre es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicol Ljubic
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Frauen geraten. Die kein Interesse an ihm hatten, ihn nur ausnutzten, sich von ihm ins Kino einladen ließen und ihm dann sagten, dass sie sich mit einem wie ihm nicht abgeben würden. Er hatte gestanden, dass ihm die Mädchen alle davongelaufen seien und er zum Einzelgänger geworden sei. Aber dann war meine Mutter in sein Leben getreten. Anfangs hatte sie ihm Briefe geschrieben, dann hatte sie ihn besucht, und in den letzten Jahren durfte sie ihn bei seinen Ausführungen begleiten. Das hatte sie dem Pfarrer zu verdanken, dem einzigen Menschen außer ihr, der sich hingezogen fühlte zu dem Mann, in dem die anderen den Nachfolger von Haarmann und Denke sahen, den Massenmördern aus den zwanziger Jahren.
    Zu jedem Mörder findet sich offenbar die passende Frau. Geschichten darüber gibt es viele. Dem »Heide-Mörder« hat sie zur Flucht verholfen, Clyde hatte seine Bonnie. Ted Bundy gestand dreiundzwanzig Morde, er schlief mit den Leichen, er zerbiss und zerstückelte sie und wurde dann von einer Verwaltungsangestellten im Gefängnis geheiratet. Eine Krankenschwester verliebte sich in einen vierfachen Kindermörder. Und meine Mutter in die »Bestie vom Schwarzwald«; so nannte man ihn.
    Erfahren habe ich es von ihrer Freundin, die mich im vergangenen Spätsommer anrief, nachdem sie einige Tage mit meiner Mutter in Ligurien verbracht hatte. Die Freundin besaß dort ein altes Haus. Sie erzählte, dass sie bei einer Flasche Rotwein gesessen hätten, als meine Mutter fragte, ob ihr der Name Friedrich P. etwas sage. Die Freundin hatte von ihm gehört, wie die meisten in ihrem Alter schon mal von ihm gehört hatten.
    Meine Mutter sagte, sie habe ihn vor einiger Zeit kennengelernt, und sie hätten ein paar Tage miteinander verbracht. Die Freundin fragte, wie lange das schon gehe, und meine Mutter sagte: »Einige Jahre.«
    Die Freundin fragte, wer davon wisse, und meine Mutter sagte: »Niemand.«
    »Es ist so schwer zu verstehen für mich«, sagte die Freundin zu mir, »jemand, der Frauen ermordet hat, wie kann man so einem nah sein wollen?«
    Für einen Moment blieb es still in der Leitung. Dann sagte sie: »Ich habe sie gefragt, ob sie ihn liebt.«
    Vielleicht wartete sie darauf, dass ich wissen wollte, was meine Mutter geantwortet hatte, weil sie zögerte, bevor sie sagte: »Ich glaube aber nicht, dass es sich um Liebe handelt. Sie hat sich da etwas in den Kopf gesetzt.«
    Ich wusste, dass meine Mutter sich für einen Gefangenen einsetzte, einen, der Hilfe brauchte, weil er seine Strafe längst verbüßt hatte und den sie trotzdem nicht freiließen. Es war nicht das erste Mal, dass meine Mutter gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt vorging. Sie hatte sich früher schon für die Rote Hilfe engagiert. Deshalb hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Sie hatte mir von einem Staatsanwalt erzählt, der von neun Toren gesprochen hatte, die sich öffnen würden und durch die er in die neunte Hölle Dantes käme. Und vom Justizminister, der angekündigt hatte, er werde für immer hinter Schloss und Riegel bleiben. Und weil die allgemeine Empörung ausblieb und er von dieser Gesellschaft keine Gerechtigkeit erwarten konnte, war es an meiner Mutter, ihm beizustehen. Dass es sich für sie wie Liebe anfühlte, erfuhr ich erst von der Freundin. Aber das sagte ich ihr nicht. Ich habe darüber nachgedacht, warum sie es mir erzählte, und dachte zuerst, sie wollte die Sache einfach loswerden und damit auch die Komplizenschaft, in die sie geraten war. Aber vielleicht wollte sie mir auch helfen, indem sie mir ihre Sicht auf die Liebe meiner Mutter mitteilte. Am Ende fragte sie, vielleicht auch, weil ich die ganze Zeit geschwiegen hatte, ob alles in Ordnung sei. Ich sagte: »Ja.«
    Natürlich fing ich an zu recherchieren. Es war nicht schwierig, er hatte sogar einen eigenen, sehr umfangreichen Eintrag bei Wikipedia.
    Mit einer dichten Serie von Morden und Mordversuchen versetzte er 1959 insbesondere die Gegend des Schwarzwalds in Angst und Schrecken. Seinem späteren Geständnis zufolge war der Besuch einer Filmvorführung des Streifens »Die zehn Gebote« von Cecil B. DeMille in einem Kino in Karlsruhe im Februar 1959 der Auslöser für seine Mordserie, der insgesamt vier Frauen zum Opfer fielen. Nach der Darstellung des Tanzes um das Goldene Kalb durch leicht bekleidete Frauen sei er zu der Erkenntnis gekommen, dass Frauen die Ursache allen Übels seien und er die Mission habe, sie zu bestrafen. Noch am selben Abend beging er in einem

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