Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
Prolog
Meine Philosophie ist ziemlich einfach – jeder Tag, an dem niemand versucht, mich zu töten, ist ein guter Tag.
In letzter Zeit hatte ich nicht viele gute Tage.
Nicht, seit die Mauern zwischen Menschheit und Feenwelt bröckeln.
Aber keine Sidhe -Seherin der Welt hatte seither gute Tage.
Bevor der Pakt zwischen Menschen und Feen (etwa 4000 Jahre vor Christi Geburt – für alle, die mit der Geschichte der Feen und der eigenen nicht vertraut sind) geschlossen wurde, jagten uns die Unseelie-Jäger wie Tiere und töteten uns. Doch der Pakt verbietet den Feen, Menschenblut zu vergießen, deshalb wurden diejenigen mit der wahren Sicht, also Menschen wie ich, in den letzten sechs Jahrtausenden – plus, minus ein paar Jahrhunderte – gefangen genommen und bis zum Tode festgesetzt. Das ist ein großer Unterschied: gleich zu sterben oder den Rest des Lebens im Feenreich zubringen zu müssen. Im Gegensatz zu anderen, die ich kenne, bin ich nicht fasziniert von den Feenwesen. Der Umgang mit ihnen ist in etwa so, als würde man einer Sucht verfallen – wenn man sich auf sie einlässt, beherrschen sie einen; widersteht man ihnen, kommt es nicht dazu.
Jetzt sind die Mauern eingestürzt und die Jäger sind wiederunterwegs, um uns zu töten. Uns auszurotten, als ob wir die Plage auf diesem Planeten wären.
Aoibheal, die Seelie-Königin des Lichts, hat nicht mehr die Macht, das zu verhindern. Niemand scheint zu wissen, wo sie sich aufhält, und einige fragen sich, ob sie überhaupt noch existiert. Die Seelie und Unseelie haben seit Aoibheals Verschwinden unsere Welt mit ihrem blutigen Krieg überzogen, und obwohl mich manche für viel zu düster und pessimistisch halten, glaube ich, dass die Unseelie deutlich die Oberhand über ihre freundlicheren Artgenossen gewinnen.
Das ist richtig, richtig schlimm.
Nicht, dass ich die Seelie lieber mag. Bestimmt nicht. Für mich ist nur ein totes Feenwesen ein gutes Feenwesen. Aber die Seelie sind nicht annähernd so todbringend wie die Unseelie. Sie töten uns nicht gleich, wenn sie uns zu Gesicht bekommen. Sie haben anderes mit uns vor.
Sex.
Obschon sie kaum Zuneigung für uns empfinden, haben sie im Bett eine Vorliebe für uns.
Wenn sie mit einer Frau fertig sind, ist sie in einem schrecklichen Zustand. Es geht ihr ins Blut. Ungeschützter Feen-Sex erweckt einen ungeheuerlichen sexuellen Hunger in einer Frau, eine schier unerträgliche Sehnsucht nach etwas, was sie niemals hätte kennenlernen dürfen und nie wieder vergessen kann. Es dauert lange, sehr lange, bis sie sich davon erholt hat – aber wenigstens bleibt sie am Leben.
Das heißt, sie kann Tag für Tag weiterkämpfen und mithelfen, unsere Welt wieder zu dem zu machen, was sie früher war.
Diese Feen-Bastarde in die Hölle zurückzuschicken, aus der sie gekommen sind.
Aber ich greife der Geschichte, meiner Geschichte, vor.
Es begann, wie es meistens beginnt. Nicht in einer finsteren, stürmischen Nacht. Nicht mit unheilvoller Musik, die den Schurken ankündigt, nicht mit Warnungen im Kaffeesatz oder mysteriösen Vorzeichen am Himmel.
Es fing ganz klein und unschuldig an wie die meisten Katastrophen. Irgendwo flattert ein Schmetterling und der Wind verändert sich, eine Warmluftfront trifft irgendwo in Westafrika auf eine Kaltluftfront und ehe man sich’s versieht, ist ein Hurrikan im Anmarsch. Wenn alle begreifen, dass ein Unwetter aufzieht, ist es bereits zu spät; man kann nichts mehr tun, außer Fenster und Türen zu verriegeln, um den Schaden vielleicht ein wenig zu begrenzen.
Mein Name ist MacKayla, kurz Mac. Ich bin eine Sidhe -Seherin, eine Tatsache, die ich erst kürzlich und ausgesprochen widerwillig akzeptiert habe.
Es gibt mehr von uns, als irgendjemand ahnt. Und das ist verdammt gut so.
Wir halten den Schaden in Grenzen.
Eins
Ein Jahr früher …
9. Juli, Ashford, Georgia.
Vierunddreißig Grad im Schatten, siebenundneunzig Prozent Luftfeuchtigkeit.
Die Sommer im Süden sind wahnsinnig heiß, das ist der Preis für die angenehm kurzen, milden Winter. Ich mag fast alle Jahreszeiten und jedes Wetter. Ich fühle mich an einem nieseligen grauen Herbsttag – wunderbar, um es sich mit einem guten Buch gemütlich zu machen – genauso wohl wie an einem warmen Sommertag, aber auf Schnee und Eis kann ich ganz gut verzichten.
Ich habe keine Ahnung, wie die Leute im Norden damit zurechtkommen. Oder warum sie es überhaupt auf sich nehmen. Aber ich vermute, es ist gut, dass sie es tun,
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