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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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gehört meinem Dad«, erklärte er Hannah ein ums andere Mal und gestikulierte wild. Der Sattelschlepper ist einer von Rorys absoluten Favoriten, der andere ist der kleine Welpe seines Busfahrers. Er hat den Welpen noch gar nicht gesehen, aber es wurde gerade vereinbart, dass Elizabeth und Rory am Wochenende den Busfahrer auf seiner Farm besuchen. Als sie ihren Cousin im Führerhaus herumturnen sah, fragte sich Hannah, ob die hingebungsvolle Liebe, die er seinen Eltern entgegenbringt, ungetrübt bleiben würde. Vielleicht würde das Down-Syndrom auch deren Liebe erstarren lassen.
    Nachdem Elizabeth die nassen Kleider in den Trockner gestopft hat, steigen sie die Kellertreppe wieder hoch. Im Wohnzimmer wirft sich Elizabeth auf die Couch, legt die Füße auf den Tisch und seufzt lautstark. »Also, was wollen wir machen? Darrach und Rory sind bestimmt noch eine Stunde unterwegs, bis sie alles besorgt haben. Irgendwelche Vorschläge?«
    »Wir könnten spazieren gehen«, sagt Hannah. »Ich weiß auch nicht.« Sie blickt aus dem Wohnzimmerfenster in den Vorgarten. Ehrlich gesagt, findet Hannah diese Gegend gruslig. Dort, wo ihre Familie lebt, in einem Vorort von Philadelphia, erstrecken sich zwischen den Häusern großzügige Rasenflächen, sind die Auffahrten lang und geschwungen und die Hauseingangstüren von dorischen Säulen flankiert. Hier aber gibt es keine Veranden, nur glimmergefleckte Stufen, und wenn man draußen sitzt – die letzten Abende sind Hannah und Elizabeth in den Vorgarten gegangen, während Rory versuchte, Glühwürmchen zu fangen –, hört man aus den Nachbarhäusern die Fernseher. Das Gras ist trocken, Beagle bellen in die Nacht hinaus, am Nachmittag drehen blasse zehnjährige Jungen in Muskelshirts pausenlos ihre Fahrradrunden, wie man es aus dem Fernsehen kennt, während im Vordergrund |13| irgendein gutfrisierter Reporter live vom Tatort berichtet, an dem eine alte Dame ermordet wurde.
    »Spazieren ist prima «, sagt Elizabeth, »aber nicht in dieser verfluchten Hitze.«
    Dann tritt im Wohnzimmer, eigentlich im ganzen Haus, Stille ein, vom Schleudern des Wäschetrockners im Keller abgesehen. Hannah hört das Klingeln von Metallknöpfen, die gegen die Trommel schlagen.
    »Komm, wir gönnen uns ein Eis«, sagt Elizabeth. »Aber lass die Zeitschrift liegen.« Sie grinst Hannah an. »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr von diesem Prominenten-Glück ertrage.«
     
    Hannah wurde nach Pittsburgh verfrachtet. Sie wurde weggeschickt, in einen Greyhound-Bus gesetzt, während Allison bei ihrer Mutter in Philadelphia bleiben durfte, um für die Prüfungen zu lernen. Hannah findet, sie hätte aus demselben Grund in Philadelphia bleiben müssen – um für die Prüfungen zu lernen. Aber sie ist erst in der achten Klasse, während Allison auf die High School geht, und das bedeutet offenbar, dass ihre Prüfungen wichtiger sind. Hinzu kommt, dass Hannah in den Augen ihrer Eltern nicht nur jünger, sondern auch weniger ausgeglichen ist, was sich als störend erweisen könnte. Also wohnt Hannah auf unbestimmte Zeit bei Elizabeth und Darrach, obwohl das Schuljahr noch nicht einmal vorbei ist.
    Dem Schreiben nach, das Dr. William Tucker unterzeichnet und ihre Mutter persönlich im Rektorat abgegeben hat, leidet Hannah am Pfeifferschen Drüsenfieber, und so bittet ihre Familie darum, dass sie den Stoff später in diesem Sommer nachholen darf. Es ist gelogen. Es gibt keinen Dr. William Tucker, er wurde von Hannahs Mutter und Hannahs Tante Polly, der Schwester ihrer Mutter, erfunden. Denn seit zehn Tagen halten sich Hannahs Mutter |14| und Allison bei Polly und deren Familie auf. Hannah leidet keineswegs an Pfeiffer (ihre Mutter und Tante Polly hatten auch Windpocken in Erwägung gezogen, aber dann befanden sie, Hannah sei zu alt, um sie nicht längst überstanden zu haben, außerdem würden sich später vielleicht einige wundern, weil keine Narben zu sehen waren). Hannah fehlt in der Schule, weil ihr Vater sie eines Nachts aus dem Haus gejagt hat, sie und ihre Mutter und Allison. Unbestreitbar ein Akt des Wahnsinns. Allerdings nicht wahnsinniger oder grausamer als andere Dinge, die er getan hat, auch wenn er keineswegs immer wahnsinnig oder grausam ist. Er ist, wie er ist; er kann durchaus umgänglich sein; er ist die Wetterzone, in der sie leben müssen, und sobald er zugegen ist, hängt ihr gesamtes Verhalten von seiner Stimmungslage ab. Geht es ihnen dreien denn nicht in den Kopf, dass ein solches Zusammenleben mit

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