Prinzessinnensöckchen (German Edition)
1
Die Sache mit der Nase. Wie sie das anekelt. Wenn die Nase an die Zehen... Sie mag nicht dran denken. »Kann man doch abwaschen«, wird Hanna ihr entgegnen. Ach ja. So leicht nimmt die das. Gegen das andere ist nichts zu sagen. Aber die Nase? Krank, einfach krank. Da vorne ist die Hütte. Hanna kickt einen Stein Richtung Wald und lacht. Emily lacht mit. Wieso eigentlich?
*
Drei Dinge liebte Carmen Witt besonders: Pickel auf der Nase, ihren grantigen Chef Köhler und die versiffte Zahnbürste ihres Exfreunds in der Nachttischschublade. Sie würde den Weg aller Dinge gehen, die sie an Max erinnerten. Ab in die Mülltonne. Seit dem Streit vor drei Wochen war er tot für sie. Das mochte sich schrecklich anhören, noch schrecklicher aber war ihr der Gedanke, dass er noch lebte. Hatte sie überreagiert? Sie fand: nein. Als er dann ihre Strapse auch noch »nuttig« gefunden hatte, war das Maß voll gewesen. Gleich nachdem er gegangen war, hatte sie damit begonnen, seine zurückgelassenen Kleinigkeiten zu entsorgen. Sein Foto im Geldbeutel, das Einwegfeuerzeug auf der Anrichte, sogar die Zahnpastatube im Bad. Wie die Zahnbürste in die Nachttischschublade gekommen war, konnte sie sich nicht erklären. Und der Haarclip, den sie dort gesucht hatte, blieb natürlich verschwunden. Na, prima. Der Tag begann gut.
Aber weg mit diesen Gedanken. Sie durfte nicht trödeln. Um zehn hatte sie den Termin im Vorzimmer der Bürgermeisterin, wo die hohe Dame einer 100jährigen und noch rüstigen Frau einen Blumenstrauß überreichen wollte. Routinefoto. Natürlich hätte Köhler wieder etwas daran auszusetzen. Aber konnte sie etwas dafür, dass die Bürgermeisterin mit ihren falschen Zähnen lächelte wie ein Krokodil im Suff?
Sie sah nun selbst in den Badezimmerspiegel und machte »cheese«. Na ja. Wenigstens an ihren Zähnen hatte Max nie etwas auszusetzen gehabt. Das war die Ausnahme gewesen. Jetzt dachte sie schon wieder an den...
*
Emily hasste die Hütte. Sie gehörte ihrem Onkel, der Jäger war, aber nicht mehr jagte. Einsam und versteckt lag sie inmitten einer verwilderten Fichtenschonung, von der Straße aus musste man ein gutes Stück laufen, alleine würde sie das niemals wagen. Mit Hanna fühlte sie sich sicher, die war cool. Hatte auch die Idee gehabt. Scheiß Idee. Wie immer, wenn die Hütte in Sichtweite geriet, verlangsamte Emily ihre Schritte. Hanna war jetzt fünf Meter vor ihr und drehte sich um. »Komm schon, du kleiner Feigling. ER ist doch da. ER passt auf uns auf.« Dann lachte sie und diesmal lachte Emily nicht mit.
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Dass sie in den Stau geriet, wunderte Carmen nicht. Obwohl Ferienzeit war und doch angeblich alle auf Mallorca aus großen Eimern tranken. Aber sie steckte halt in einem Meer aus Pech und sah einfach kein Land. Und jetzt hupte der Idiot hinter ihr auch noch! Sie streckte den Stinkefinger aus dem Fenster. Fünf vor zehn. Na bravo. Am ratsamsten wäre es, sie führe rechts ran – da hatte sich wundersamer Weise eine Parklücke aufgetan – und ginge den Rest des Weges bis zum Rathaus zu Fuß. Pünktlich wäre zwar etwas anderes, aber die Verspätung hielte sich in Grenzen. Sie schlug das Lenkrad resolut nach rechts ein, schrammte beinahe gegen einen abgestellten blauen Golf, griff die Fototasche vom Beifahrersitz, sprang hinaus, beschleunigte – und bremste abrupt ab. Verdammt, sie hatte vergessen, den Wagen abzuschließen.
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»Wieso ist die Tür nicht abgeschlossen?« Hanna drehte sich zu ihr um und schüttelte den Kopf. »Kommt zwar nie einer her, aber trotzdem. Wenn doch, sind wir verschissen.« Emily setzte ihr War-ich-nicht-Gesicht auf. Sie schloss doch immer ab und legte den Schlüssel dann unter das lose Brett auf der Fensterbank. Vorgestern auch, sie war sich sicher. »Egal«, sagte Hanna und stieß die Tür – sie war nur angelehnt – mit dem Fuß auf.
*
Musste jetzt auch noch das Handy klingeln? Sie würde es ignorieren. Wenn sie weiter so rannte, konnte sie es noch schaffen, was waren schon fünf Minuten. Sollte die Bürgermeisterin doch noch eine Rede halten, machte sie ja sowieso am liebsten. Das blöde Ding klingelte weiter. Max? Natürlich, an wen sollte sie auch sonst denken. Ihre beste Freundin Jolande saß gerade im Flieger nach den Malediven, gestern Abend hatten sie noch einen Abschiedsdrink bei Caro genommen und Carmen hatte die Freundin wieder einmal beneidet. Die hat, was ich nicht habe. Einen lieben Freund, einen gutbezahlten Job und außerdem kann die
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