Also sprach GOLEM
wurde auf den Herbst verschoben. Der Lastwagen mit der Bombe kehrte zur Basis zurück, und die Ladung wurde auseinandergenommen, um sie sicherzustellen und zu verbergen. Weitere vier Monate hindurch glaubten die Hussiten immer noch, das Verstummen GOLEMs sei ein taktischer Schritt. Innerhalb der Führung brachen Streitigkeiten aus, denn ein Teil wollte im fünften Monat vergeblichen Wartens die Organisation auflösen, während der andere eine radikale Lösung durchzusetzen versuchte: Die Regierung müsse gezwungen werden, beide Maschinen zu demontieren, denn nur das bedeute ihr sicheres Ende. Der Physiker wollte jedoch die Bombe nicht noch einmal zusammenbauen. Man versuchte, ihn dazu zu zwingen. Daraufhin verschwand er. Er wurde in der chinesischen Botschaft in Washington gesehen. Mit den Chinesen, denen er seine Dienste anbot, schloß er einen Fünfjahresvertrag und flog nach Peking. Es fand sich ein Hussit, der bereit war, die Bombe allein zusammenzubauen, doch ein anderer, der in der mittlerweileentstandenen Situation gegen den Anschlag war, verriet den ganzen Plan, indem er dessen Beschreibung an die Redaktion von Time schickte, und er hinterlegte außerdem bei gewissen Leuten eine Liste der Mitglieder der Gruppe, die im Falle seines Todes veröffentlicht werden sollte.
Die Sache erregte erhebliches Aufsehen. Es sollte sogar eine Regierungskommission gebildet werden, um ihre Authentizität zu prüfen, doch schließlich übernahm das FBI die Untersuchung. Es konnte ermittelt werden, daß am 7. Juli in einem kleinen, siebzig Meilen vom Institut entfernten Ort in einer alten Autowerkstatt Dynamit explodiert war, wobei vier Menschen umgekommen waren, und daß im April des folgenden Jahres bei einem Motel an der Grenze zu Nevada lange Zeit ein Tankwagen mit Schwefelsäure gestanden hatte. Der Besitzer des Motels konnte sich daran erinnern, weil der Fahrer des Tankwagens beim Einparken den Wagen des örtlichen Sheriffs angefahren und ihm den angerichteten Schaden erstattet hatte.
Time erwähnte nicht den Namen des Physikers, der für die Hussiten spionierte, doch konnten wir ihn ohne Schwierigkeiten im Institut identifizieren. Auch ich will ihn nicht beim Namen nennen. Er war damals siebenundzwanzig Jahre alt, wortkarg und ungesellig. Er galt als schüchtern. Ich weiß nicht, ob er in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt und was weiter mit ihm geschehen ist. Ich habe nie mehr von ihm gehört. Bei der Wahl meines Studienfaches war ich in dem naiven Glauben, in eine Welt einzutreten, die gegen die Verrücktheiten der Epoche immun ist. Rasch habe ich diesen Glauben verloren, und so hat mich denn auch der Fall dieses gescheiterten Herostrates nicht verwundert. Für viele Menschen ist die Wissenschaft zu einem Beruf wie jeder anderegeworden. Ihren ethischen Kodex halten sie für alten Plunder. Wissenschaftler sind sie während der Arbeitszeit. Und auch das nicht immer. Ihr Idealismus wird, sofern sie solchen besitzen, leicht zur Beute von Launen und sektiererischen Bekehrungen. Zum Teil ist daran vielleicht die Aufsplitterung der Wissenschaft in Spezialgebiete schuld. Es gibt immer mehr Wissenschaftler und immer weniger Gelehrte. Aber auch das gehört nicht zur Sache.
Sicherlich hat auch das FBI die Person jenes Physikers festgestellt, doch muß das geschehen sein, nachdem ich das MIT verlassen hatte. Für mich war das im Grunde eine Bagatelle, gemessen an dem Fortgang GOLEMs, der mit dem Anschlag der Hussiten nichts zu tun hatte. Ich habe mich nicht richtig ausgedrückt. Die Attentatsabsicht hätte GOLEMs Entscheidung nicht beeinflussen können, wenn sie eine isolierte Tatsache gewesen wäre. Sie war auch nicht der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Dessen bin ich mir sicher, obgleich ich keine Beweise dafür habe. Sie war ein Element aus einer Vielzahl von Vorfällen, die GOLEM als Reaktion der Menschen auf sein Vorhandensein deutete. Er hat daraus im übrigen kein Geheimnis gemacht, wie seine letzte Vorlesung zeigte.
IV.
GOLEMs letzte Vorlesung hat mehr Kontroversen ausgelöst als die erste. Jener hat man entgegengehalten, sie sei ein Pasquill auf die Evolution. Dieser hat man vorgeworfen, sie sei schlecht aufgebaut, schlecht informiert und böswillig, und das waren noch nicht die schlimmsten Disqualifikationen. Die Idee der unsicheren Urheberschaft, die dann aufkam, wurde von der Presse, die dieSchwächen dieser Vorlesung mit GOLEMs Ende in Zusammenhang brachte, begierig aufgegriffen. Die
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