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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ihn zu verstehen, mußte er wohl davon sprechen, wenn er über sich sprechen wollte. Heute wundere ich mich nur noch, wie uns jene Stellen seines Vortrags entgehen konnten, an denen er den eigentlichen Sinn dessen, was sich dann in der heranrückenden Nacht vollzogen hat, darlegte. Ich glaube, daß GOLEM sich mit seiner letzten Rede einen Scherz erlauben wollte. Das mag unverständlich erscheinen, denn es ist wahrlich kaum eine Situation denkbar, in der Scherze weniger angebracht gewesen wären. Sein Sinn für Humor war jedoch ein anderer als der der Menschen. Indem er erklärte, wie er sich NICHT von uns verabschieden würde, verabschiedete er sich gerade schon. Zugleich log er nicht, als er sagte, er werde nicht wortlos fortgehen. Die Vorlesung war seine Abschiedsrede. Er hat das deutlich ausgesprochen. Wir haben esnicht verstanden, weil wir es nicht verstehen wollten.
    Wir haben uns lange überlegt, ob er die Pläne der Hussiten kannte. Obgleich ich es nicht beweisen kann, glaube ich, daß nicht GOLEM ihre verschiedenen Anschläge vereitelt hat, sondern HONEST ANNIE. GOLEM hätte es anders gemacht. Er hätte es den Attentätern nicht so leicht gemacht, ihn als Urheber ihrer Mißerfolge zu identifizieren. Er wäre ihnen mit einer solchen Raffinesse in die Zügel gefallen, daß sie unmöglich hätten erkennen können: Ihre Fehlschläge waren, im einzelnen wie im ganzen, keine Zufälle. Er hat ja, ohne sich Illusionen über sie zu machen, den Menschen nicht gänzlich die Partnerschaft versagt. Er hat unsere unvernünftigen Motive nicht deshalb berücksichtigt, um Nachsicht mit uns zu üben, sondern aus rationaler Sachlichkeit, denn er sah in uns eine »durch ihre Leiblichkeit geknechtete Vernunft«. Für HONEST ANNIE dagegen, die sie nichts angingen und die nichts mit ihnen zu tun haben wollte, waren die Attentäter so etwas wie aufdringliche, lästige Insekten. Wenn mich Fliegen bei der Arbeit stören, verscheuche ich sie, und wenn sie frech sind und kommen zurück, stehe ich auf und schlage sie tot, ohne mich zu fragen, warum sie mir ständig über das Gesicht und über die Papiere kriechen, weil es nicht zu den menschlichen Gewohnheiten gehört, sich in die Motive von Fliegen hineinzuversetzen. Nicht anders war ANNIEs Verhältnis zu den Menschen. Sie hat sich nicht in deren Angelegenheiten gemischt, solange sie sie nicht störten. Wieder und wieder hat sie die Aufdringlinge aufgehalten und danach den Radius ihrer Vorbeugemaßnahmen erweitert, wobei sie nur insofern Mäßigung gezeigt hat, als sie die Gegenschläge schrittweise verstärkte. Ob und auf welche Weise ihre Interventionenentdeckt werden würden, war für sie kein Problem. Ich kann nicht sagen, wie sie sich verhalten hätte, wenn es zu der von den Hussiten geplanten Erpressung gekommen wäre und die Regierung nachgegeben hätte, doch weiß ich, daß es katastrophal hätte enden können. Ich weiß es, weil GOLEM es wußte und dieses Wissen nicht vor uns verheimlicht hat – er hat uns ja in seiner letzten Vorlesung ein – wie er sagte – »Staatsgeheimnis« verraten. Es hätte geschehen können, daß wir wie Fliegen behandelt worden wären. Als ich Creve gegenüber diese Vermutung äußerte, erfuhr ich, daß er unabhängig zu der gleichen Schlußfolgerung gelangt war. Hier liegt auch die Erklärung für das angeblich ungleichmäßige Tempo dieses Vortrages. GOLEM hat über sich gesprochen, aber auch sagen wollen, daß uns nicht das Schicksal lästiger Fliegen erwarte. Diese Entscheidung war bereits gefallen. Lange vor dieser Vorlesung hat es mich schon nachdenklich gestimmt, daß GOLEM sich so lakonisch über HONEST ANNIE äußerte. Er hat zwar erwähnt, daß es Verständigungsschwierigkeiten mit ihr gebe, hat sich aber dennoch mit ihr verständigt, aber er hat nie direkt darüber gesprochen, bis er uns plötzlich den Umfang ihrer Macht enthüllte. Dabei blieb er jedoch diskret, weil es weder ein Verrat noch eine Drohung war, denn als er davon sprach, war der Entschluß fortzugehen bereits gefaßt. Einige Stunden nach der Vorlesung wurde er dann Wirklichkeit.
    Gewiß stützt sich mein ganzer Gedankengang lediglich auf Indizien. Das gewichtigste Indiz scheint mir zu sein, was ich über GOLEM wußte, aber nicht in Worte zu kleiden vermag. Der Mensch kann nicht alles ausformulieren, was er aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen weiß. Das Sagbare reißt nicht plötzlich ab und mündet in ein Vakuum. Den Übergang zu jenem Bereich,über den wir gar

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