Also sprach Zarathustra
war` ist ein Bruchstück, ein Räthsel, ein grauser Zufall - bis der schaffende Wille dazu sagt: `aber so wollte ich es!`
Bis der schaffende Wille dazu sagt: `Aber so will ich es! So werde ich's wollen!`
Aber sprach er schon so? Und wann geschieht diess? Ist der Wille schon abgeschirrt von seiner eignen Thorheit?
Wurde der Wille sich selber schon Erlöser und Freudebringer? Verlernte er den Geist der Rache und alles Zähneknirschen?
Und wer lehrte ihn Versöhnung mit der Zeit, und Höheres als alle Versöhnung ist?
Höheres als alle Versöhnung muss der Wille wollen, welcher der Wille zur Macht ist -: doch wie geschieht ihm das? Wer lehrte ihn auch noch das Zurückwollen?"
- Aber an dieser Stelle seiner Rede geschah es, dass Zarathustra plötzlich innehielt und ganz einem Solchen gleich sah, der auf das Äusserste erschrickt. Mit erschrecktem Auge blickte er auf seine Jünger; sein Auge durchbohrte wie mit Pfeilen ihre Gedanken und Hintergedanken. Aber nach einer kleinen Weile lachte er schon wieder und sagte begütigt:
"Es ist schwer, mit Menschen zu leben, weil Schweigen so schwer ist. Sonderlich für einen Geschwätzigen." -
Also sprach Zarathustra. Der Bucklichte aber hatte dem Gespräche zugehört und sein Gesicht dabei bedeckt; als er aber Zarathustra lachen hörte, blickte er neugierig auf und sagte langsam:
"Aber warum redet Zarathustra anders zu uns als zu seinen Jüngern?"
Zarathustra antwortete: "Was ist da zum Verwundern! Mit Bucklichten darf man schon bucklicht reden!"
"Gut, sagte der Bucklichte; und mit Schülern darf man schon aus der Schule schwätzen.
Aber warum redet Zarathustra anders zu seinen Schülern - als zu sich selber?" -
Von der Menschen-Klugheit
Nicht die Höhe: der Abhang ist das Furchtbare!
Der Abhang, wo der Blick hinunter stürzt und die Hand hinauf greift. Da schwindelt dem Herzen vor seinem doppelten Willen.
Ach, Freunde, errathet ihr wohl auch meines Herzens doppelten Willen?
Das, Das ist mein Abhang und meine Gefahr, dass mein Blick in die Höhe stürzt, und dass meine Hand sich halten und stützen möchte - an der Tiefe!
An den Menschen klammert sich mein Wille, mit Ketten binde ich mich an den Menschen, weil es mich hinauf reisst zum Obermenschen: denn dahin will mein andrer Wille.
Und dazu lebe ich blind unter den Menschen; gleich als ob ich sie nicht kennte: dass meine Hand ihren Glauben an Festes nicht ganz verliere.
Ich kenne euch Menschen nicht: diese Finsterniss und Tröstung ist oft um mich gebreitet.
Ich sitze am Thorwege für jeden Schelm und frage: wer will mich betrügen?
Das ist meine erste Menschen-Klugheit, dass ich mich betrügen lasse, um nicht auf der Hut zu sein vor Betrügern.
Ach, wenn ich auf der Hut wäre vor dem Menschen: wie könnte meinem Balle der Mensch ein Anker sein! Zu leicht risse es mich hinauf und hinweg!
Diese Vorsehung ist über meinem Schicksal, dass ich ohne Vorsicht sein muss.
Und wer unter Menschen nicht verschmachten will, muss lernen, aus allen Gläsern zu trinken; und wer unter Menschen rein bleiben will, muss verstehn, sich auch mit schmutzigem Wasser zu waschen.
Und also sprach ich oft mir zum Troste: "Wohlan! Wohlauf! Altes Herz! Ein Unglück missrieth dir: geniesse diess als dein - Glück!"
Diess aber ist meine andre Menschen-Klugheit: ich schone die Eitlen mehr als die Stolzen.
Ist nicht verletzte Eitelkeit die Mutter aller Trauerspiele? Wo aber Stolz verletzt wird, da wächst wohl etwas Besseres noch, als Stolz ist.
Damit das Leben gut anzuschaun sei, muss sein Spiel gut gespielt werden: dazu aber bedarf es guter Schauspieler.
Gute Schauspieler fand ich alle Eitlen: sie spielen und wollen, dass ihnen gern zugeschaut werde, - all ihr Geist ist bei diesem Willen.
Sie führen sich auf, sie erfinden sich; in ihrer Nähe liebe ich's, dem Leben zuzuschaun, - es heilt von der Schwermuth.
Darum schone ich die Eitlen, weil sie mir Arzte sind meiner Schwermuth und mich am Menschen fest halten als an einem Schauspiele.
Und dann: wer ermisst am Eitlen die ganze Tiefe seiner Bescheidenheit! Ich bin ihm gut und mitleidig ob seiner Bescheidenheit.
Von euch will er seinen Glauben an sich lernen; er nährt sich an euren Blicken, er frisst das Lob aus euren Händen.
Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über ihn lügt: denn im Tiefsten seufzt sein Herz: "was bin ich !"
Und wenn das die rechte Tugend ist, die nicht um sich selber weiss: nun, der Eitle weiss nicht um seine Bescheidenheit! -
Das ist aber meine
Weitere Kostenlose Bücher