Also sprach Zarathustra
meine Gipfel sind? Niemand sagte es mir noch. Aber gut kenne ich meine Thäler.`
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: `Oh Zarathustra, wer Berge zu versetzen hat, der versetzt auch Thäler und Niederungen.` -
Und ich antwortete: `Noch versetzte mein Wort keine Berge, und was ich redete, erreichte die Menschen nicht. Ich gieng wohl zu den Menschen, aber noch langte ich nicht bei ihnen an.`
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: `Was weisst du davon ! Der Thau fällt auf das Gras, wenn die Nacht am verschwiegensten ist.` -
Und ich antwortete: `sie verspotteten mich, als ich meinen eigenen Weg fand und gieng; und in Wahrheit zitterten damals meine Füsse.`
Und so sprachen sie zu mir: `du verlerntest den Weg, nun verlernst du auch das Gehen!`
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: `Was liegt an ihrem Spotte! Du bist Einer, der das Gehorchen verlernt hat: nun sollst du befehlen!
Weisst du nicht, wer Allen am nöthigsten thut? Der Grosses befiehlt.
Grosses vollführen ist schwer: aber das Schwerere ist, Grosses befehlen.
Das ist dein Unverzeihlichstes: du hast die Macht, und du willst nicht herrschen.` -
Und ich antwortete: `Mir fehlt des Löwen Stimme zu allem Befehlen.`
Da sprach es wieder wie ein Flüstern zu mir: `Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen. Gedanken, die mit Taubenfüssen kommen, lenken die Welt.
Oh Zarathustra, du sollst gehen als ein Schatten dessen, was kommen muss: so wirst du befehlen und befehlend vorangehen.` -
Und ich antwortete: `Ich schäme mich.`
Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: `Du musst noch Kind werden und ohne Scham.
Der Stolz der Jugend ist noch auf dir, spät bist du jung geworden: aber wer zum Kinde werden will, muss auch noch seine Jugend überwinden.` -
Und ich besann mich lange und zitterte. Endlich aber sagte ich, was ich zuerst sagte: `Ich will nicht.`
Da geschah ein Lachen um mich. Wehe, wie diess Lachen mir die Eingeweide zerriss und das Herz aufschlitzte!
Und es sprach zum letzten Male zu mir: `Oh Zarathustra, deine Früchte sind reif, aber du bist nicht reif für deine Früchte!
So musst du wieder in die Einsamkeit: denn du sollst noch mürbe werden.` -
Und wieder lachte es und floh: dann wurde es stille um mich wie mit einer zwiefachen Stille. Ich aber lag am Boden, und der Schweiss floss mir von den Gliedern.
- Nun hörtet ihr Alles, und warum ich in meine Einsamkeit zurück muss. Nichts verschwieg ich euch, meine Freunde.
Aber auch diess hörtet ihr von mir, wer immer noch aller Menschen Verschwiegenster ist - und es sein will!
Ach meine Freunde! Ich hätte euch noch Etwas zu sagen, ich hätte euch noch Etwas zu geben! Warum gebe ich es nicht? Bin ich denn geizig?" -
Als Zarathustra aber diese Worte gesprochen hatte, überfiel ihn die Gewalt des Schmerzes und die Nähe des Abschieds von seinen Freunden, also dass er laut weinte; und Niemand wusste ihn zu trösten. Des Nachts aber gieng er allein fort und verliess seine Freunde.
Dritter Theil
"Ihr seht nach Oben, wenn ihr nach Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.
Wer von euch kann zugleich lachen und erhoben sein?
Wer auf den höchsten Bergen steigt, der lacht über alle Trauer-Spiele und Trauer-Ernste."
Zarathustra, vom Lesen und Schreiben.
Der Wanderer
Um Mitternacht war es, da nahm Zarathustra seinen Weg über den Rücken der Insel, dass er mit dem frühen Morgen an das andre Gestade käme: denn dort wollte er zu Schiff steigen. Es gab nämlich allda eine gute Rhede, an der auch fremde Schiffe gern vor Anker giengen; die nahmen Manchen mit sich, der von den glückseligen Inseln über das Meer wollte. Als nun Zarathustra so den Berg hinanstieg, gedachte er unterwegs des vielen einsamen Wanderns von Jugend an, und wie viele Berge und Rücken und Gipfel er schon gestiegen sei.
Ich bin ein Wanderer und ein Bergsteiger, sagte er zu seinem Herzen, ich liebe die Ebenen nicht und es scheint, ich kann nicht lange still sitzen.
Und was mir nun auch noch als Schicksal und Erlebniss komme, - ein Wandern wird darin sein und ein Bergsteigen: man erlebt endlich nur noch sich selber.
Die Zeit ist abgeflossen, wo mir noch Zufälle begegnen durften; und was könnte jetzt noch zu mir fallen, was nicht schon mein Eigen wäre!
Es kehrt nur zurück, es kommt mir endlich heim - mein eigen Selbst, und was von ihm lange in der Fremde war und zerstreut unter alle Dinge und Zufälle.
Und noch Eins weiss ich: ich stehe jetzt vor meinem letzten Gipfel und vor dem, was
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