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Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Titel: Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Carter
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gab etwas, das sie ihm sagen musste. Sie musste ihn dazu bringen, dass er verstand.
    Sie versuchte, ihre Hand zu heben, um ihn näher heranzuziehen, und ihre Brust machte ein komisches saugendes Geräusch. Es fühlte sich an, als versuchte sie, unter Wasser zu atmen.
    » Ich habe ihn zurückgeholt«, stieß sie in einem blutigen Sprühnebel hervor. » Ich habe ihn zurückgeholt.«
    Die Hand des Fremden legte sich warm und stark auf ihre Hände, und er beugte sich über sie. » Alles wird gut«, sagte er. » Alles wird gut.«
    Nein, nein, Sie verstehen nicht …
    Sie versuchte, den Kopf zu schütteln, aber er wollte sich nicht bewegen. Sie konnte überhaupt nichts bewegen, und sie konnte sein Gesicht nicht mehr sehen, weil der Mond im Weg war, groß und hell, und ihre Augen mit einem wunderschönen weißen Licht erfüllte. Sie konnte die Sirenen jetzt hören, die Zeit lief ihr davon. Die Wahrheit. Er musste die Wahrheit sehen. Musste verstehen, dass sie…
    » Sie hätten ihn nicht töten müssen«, sagte sie, und leuchtend rotes Blut ergoss sich mit dem letzten Atemzug aus ihrem Mund. » Er hat nie vom Knochenaltar getrunken. Ich habe ihn zurückgeholt.«

Erster Teil
    Die Hüterin

1
    Straflager Norilsk, Sibirien, Ud SSR
    Februar 1937
    Lena Orlowa sah die Wölfe. Sie lauerten am Rand der Dunkelheit, unmittelbar außerhalb des Scheinwerferbereichs, ihre Ruten strichen über den Schnee.
    Sie ging schneller, ihre Filzstiefel rutschten in den gefrorenen Furchen der Straße. Sie konnte ihren Atem sehen. Ihr war kalt, sehr kalt, und jede plötzliche Bewegung schien die Luft ringsum wie Papier knistern zu lassen.
    Sie bemerkte den Leichnam erst, als sie fast dagegengestoßen wäre. Er hing kopfüber vom Lagertor, nackt, die Hände mit Draht auf den Rücken gefesselt, die Augen halb offen. Oberhalb der gefesselten Füße hatten sie ein Brett an den Pfosten genagelt, auf dem in leuchtend roter Schrift stand: ES GIBT KEIN ENTKOMMEN AUS NORILSK .
    Die Tür zum Wachhäuschen flog krachend auf, und Lena fuhr herum, das Herz hämmerte laut in ihrer Brust.
    Lena, du Närrin, benimm dich nicht so fahrig. Sonst ahnen sie, dass du etwas im Schilde führst, bevor du überhaupt angefangen hast.
    Ein Mann in der blauen Uniform des NKVD kam aus dem Wachhaus, streckte die Hand aus und schnippte mit den Fingern. » Papiere.«
    Lena tastete in der Tasche ihrer wattierten Jacke nach ihrem Ausweis und ihrer Reisegenehmigung. Als sie beides überreichte, ließ ein Windstoß die Leiche am Torpfosten schaukeln. Draußen in der Dunkelheit begannen die Wölfe zu heulen.
    Der Wachposten hielt ihre Papiere unter das Licht der Lampe, die über der Tür hing. Seit zweihundertzweiundsiebzig Tagen war sie jeden Abend von den Personalbaracken durch dieses Tor zu ihrem Dienst als Nachtschwester im Krankenrevier marschiert, und jeden Abend hatte der immer gleiche Wachmann sie um ihre Papiere gebeten. Er ließ sich genüsslich Zeit, sie anzusehen, verglich ihr Gesicht mit den Fotografien, prüfte Siegel und Unterschriften und wer weiß was noch, als könnte irgendetwas daran plötzlich anders sein als am Abend zuvor.
    Es war so kalt, sie hätte Eiszapfen spucken können. Lena klopfte sich mit den Fäusten auf die Arme und stampfte mit den Füßen auf, womit sie nichts erreichte, außer dass sich der festgebackene Schnee von ihrer Jacke löste.
    » Alles in Ordnung«, sagte der Wachposten und gab ihr die Papiere zurück.
    Ihr Ausweis wies sie als freie Arbeiterin aus, womit sie das Tor in jede Richtung passieren durfte, ohne Gefahr zu laufen, dass man auf sie schoss. Dass sie nur die » Freiheit« besaß, in einem Beruf zu arbeiten, den der Staat für sie ausgesucht hatte, und an diesem Ort, an den der Staat sie geschickt hatte– ein Straflager obendrein–, war eine Ironie, die offenbar nur Lena zu würdigen wusste. Ihre Reiseerlaubnis war ein weiterer solcher Witz. Sie durfte nach Belieben in diesem kleinen Zipfel Sibiriens herumreisen, auf der Halbinsel Taimyr, aber es war ihr verboten, einen Fuß außerhalb davon zu setzen.
    Der Wächter dachte offenbar, sie sei festgefroren, denn er fuchtelte ungeduldig mit der Hand. » Ich sagte, alles in Ordnung. Sie dürfen passieren.«
    » Ich Glückliche«, murmelte Lena.
    Sie sah die Leiche nicht noch einmal an, als sie durch das Tor ging, aber ihre Anwesenheit saß ihr wie ein Geier auf der Schulter. Es gibt kein Entkommen aus Norilsk. Denken sie jedenfalls …
    Denn heute Nacht würden sie und Nikki entweder

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