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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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lächerliche Kleinstaat, der vor Selbstüberschätzung trieft und der jetzt, vierzig Jahre nach dem sogenannten Zweiten Weltkrieg , nur als ein total amputierter seinen absoluten Tiefpunkt erreicht hat; dieser lächerliche Kleinstaat, in dem das Denken ausgestorben und in welchem schon seit einem halben Jahrhundert nurmehrnoch der niedrige staatspolitische Stumpfsinn und die staatsgläubige Dummheit herrschen, so Reger. Konfuse, brutale Welt, sagte er. Zu alt, um zu verschwinden, sagte er, ich bin zu alt, um weg zu gehn, Atzbacher, zweiundachtzig, hören Sie! Immer allein gewesen! Jetzt bin ich endgültig in der Falle, Atzbacher. Wohin wir heute in diesem Land schauen, wir schauen in eine Senkgrube der Lächerlichkeit, sagte Reger. Massenwahnsinn katastrophaler, sagte er. Alle sind mehr oder weniger depressiv, wissen Sie, und wir haben ja mit Ungarn die höchste Selbstmordrate in ganz Europa. Oft habe ich gedacht, ich gehe in die Schweiz, aber die Schweiz wäre für mich noch viel schlimmer. Sie können nicht wissen, wie ich unser Land liebe, sagte Reger, aber ich hasse diesen gegenwärtigen Staat zutiefst; mit diesem Staat will ich in Zukunft nichts mehr zu tun haben, er ist an jedem Tag ekelerregend. Alle heute in diesem Staat agierenden und regierenden Leute haben nur entsetzliche primitivgeistlose Gesichter, Sie sehen in diesem bankrotten Land nurmehr noch einen gigantischen Haufen von erschreckendem Physiognomiemüll, sagte er. Was denken wir und was reden wir nicht alles und glauben, wir sind kompetent und sind es doch nicht, das ist die Komödie , und wenn wir fragen, wie soll es weitergehn?, ist es die Tragödie , mein lieber Atzbacher. Irrsigler erschien und brachte die Times, um die Reger ihn gebeten hatte, er brauchte ja nur vom Kunsthistorischen Museum aus über die Straße zu gehen, dort ist ein Zeitungsstand. Reger nahm die Times an sich und stand auf und ging aus dem Bordone-Saal hinaus und mit, wie ich dachte, forscheren Schritten als sonst, die große Mitteltreppe hinunter und ins Freie, ich folgte ihm. Vor dem vulgären Maria-Theresia-Denkmal blieb er stehen und sagte, daß ich wahrscheinlich doch sehr verwundert sei über die Tatsache, daß er mir bis jetzt noch immer nicht den eigentlichen Grund gesagt habe, warum er mich schon heute wieder im Kunsthistorischen Museum zu treffen wünschte. Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen, als er sagte, er habe zwei Eintrittskarten, ausgezeichnete Parkettplätze für den Zerbrochenen Krug im Burgtheater gekauft und der eigentliche Grund, warum er mich heute schon wieder ins Kunsthistorische Museum gebeten habe, sei der, mir den Vorschlag zu machen, mit ihm zusammen den Zerbrochenen Krug im Burgtheater anzuschauen. Sie wissen, ich bin Jahrzehnte nicht mehr im Burgtheater gewesen und ich hasse nichts mehr, als das Burgtheater, tatsächlich nichts mehr, als die Dramatische Kunst überhaupt , sagte er, aber ich dachte gestern, ich gehe morgen ins Burgtheater und schaue mir den Zerbrochenen Krug an. Mein lieber Atzbacher, so Reger, ich weiß nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, heute und zwar mit Ihnen und mit keinem anderen Menschen, ins Burgtheater zu gehen, um den Zerbrochenen Krug anzuschauen. Halten Sie mich ruhig für verrückt, sagte Reger jetzt, meine Tage sind ja gezählt; ich habe tatsächlich gedacht, Sie gehen mit mir heute ins Burgtheater, schließlich ist der Zerbrochene Krug das beste deutsche Lustspiel und das Burgtheater ist dazu auch noch die erste Bühne der Welt. Drei Stunden hat mich der Gedanke gequält, Ihnen sagen zu müssen, daß Sie mich in den Zerbrochenen Krug begleiten sollen, denn allein gehe ich nicht in den Zerbrochenen Krug , sagte Reger jetzt, schreibt Atzbacher, drei qualvolle Stunden habe ich überlegt, wie ich Ihnen sage, daß ich zwei Karten für den Zerbrochenen Krug gekauft und dabei nur an mich und an Sie gedacht habe, denn jahrzehntelang haben Sie von mir nichts anderes gehört, als daß das Burgtheater die scheußlichste Bühne auf der Welt ist und jetzt aufeinmal sollen Sie gar mit mir in den Zerbrochenen Krug im Burgtheater gehen, eine Tatsache, die selbst Irrsigler nicht begreift. Nehmen Sie die zweite Karte , sagte er und gehen Sie mit mir heute abend ins Burgtheater, teilen Sie mit mir das Vergnügen dieser perversen Verrücktheit, mein lieber Atzbacher , sagte Reger, schreibt Atzbacher. Ja, sagte ich zu Reger, schreibt Atzbacher, wenn es Ihr ausdrücklicher Wunsch ist , und Reger sagte, ja, es istmein

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