Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
der Singerstraßenwohnunghinausgegangen und habe gedacht, ich mache noch einen einzigen Überlebensversuch und bin in diesem Gedanken in die Innere Stadt hineingegangen, so Reger. Und dieser Überlebensversuch ist geglückt, wahrscheinlich bin ich im entscheidenden und wahrscheinlich im allerletzten Moment von meinem singerstraßenseitigen Schemel aufgestanden und auf die Singerstraße hinunter- und in die Innere Stadt hineingegangen, so Reger. Natürlich habe ich dann, wieder zu Hause in meiner Wohnung, einen Rückschlag nach dem andern erlitten, das können Sie sich denken, daß es nicht mit diesem einen einzigen Versuch, zu überleben, getan war, ich mußte viele Hunderte solcher Überlebensversuche machen dann , aber ich habe sie immer wieder gemacht und ich bin immer wieder vom singerstraßenseitigen Schemel aufgestanden und auf die Straße gegangen und tatsächlich dann auch wieder unter Menschen, unter die Menschen gegangen und habe mich schließlich gerettet, so Reger. Natürlich frage ich mich, ob es richtig und eben nicht doch falsch gewesen ist, daß ich mich gerettet habe, aber darum geht es nicht, so Reger. Wir wollen inständig nach sterben und wollen es dann doch wieder nicht, so Reger, in dieser Verzweiflungstortur existiere ich, müssen Sie wissen, jetzt schon über ein Jahr. Wir hassen die Menschen und wollen doch mit ihnen zusammensein, weil wir nur mit den Menschen und unter ihnen eine Chance haben, weiterzuleben und nicht verrückt zu werden. Mit dem Alleinsein halten wir es ja nicht gar so lang aus, so Reger, wir glauben, wir können allein sein, wir glauben, wir können verlassen sein, wir reden uns ein, wir können allein weiterkommen, so Reger, aber das ist ein Hirngespinst. Wir glauben, ohne Menschen auskommen zu können, ja wir glauben sogar, ohne einen einzigen Menschen auskommen zu können und bilden uns ja auch ein, wir haben nur eine Chance, wenn wir nur mit uns selbst allein sind, aber das ist ein Hirngespinst. Ohne Menschen haben wir nicht die geringste Überlebenschance, sagte Reger, wir können unsnoch so viele große Geister und noch so viele Alte Meister als Gefährten genommen haben, sie ersetzen keinen Menschen , so Reger, am Ende sind wir vor allem von diesen sogenannten großen Geistern und von diesen sogenannten Alten Meistern alleingelassen und wir sehen, daß wir von diesen großen Geistern und Alten Meistern auch noch auf die gemeinste Weise verhöhnt werden und wir stellen fest, daß wir mit allen diesen großen Geistern und allen diesen Alten Meistern immer nur in einem Verhöhnungsverhältnis existiert haben. Zuerst habe er in der Singerstraßenwohnung, wie gesagt, nur Brot und Wasser gegessen, dann, etwa am achten oder neunten Tag, etwas Dosenfleisch, das er selbst sich in der Küche aufgekocht habe, gedörrte Zwetschgen habe er sich aufgeweicht und zu mit heißem Wasser abgebrühten Nudeln gegessen, worauf ihm aber jedesmal übel geworden sei. Am achten oder neunten Tag habe er dann doch wieder die Haushälterin zu sich beordert und habe sie in das seiner Wohnung gegenüberliegende Hotel Royal um Essen geschickt. Wie ein Hund saß ich da und aß , so Reger. Mit dem Hotel Royal habe er ein günstiges Abkommen getroffen, es lieferte mir ab Ende Mai täglich durch die Haushälterin, die von uns immer nur Stella gerufen worden ist, obwohl sie Rosa geheißen hat! , so Reger, Suppe und Hauptspeise in eigens zu diesem Zweck gekauften Aluminiumschüsseln. Ich bezahlte zwei Portionen , so Reger zu mir im Ambassador, eine halbe habe ich gegessen, eineinhalb Portionen hat die Haushälterin gegessen , so Reger. Ich aß das Royalessen mit einem gewissen Widerwillen, so Reger, aber ich aß es, weil mir nichts anderes übrig blieb, ich aß es, weil ich es essen mußte, so Reger, aber mir wäre an dem Essen ja schon durch den Anblick der Haushälterin, die mir beim Essen naturgemäß gegenüber gesessen ist, übel geworden, ich habe die Haushälterin nie leiden können, sie ist ja auch immer die Haushälterin meiner Frau gewesen, ich hätte diese Person nie engagiert, so Reger, diese stupide, verlogene Person, so Reger,die tatsächlich mir gegenüber gesessen ist und eineinhalb Portionen von dem Royalessen gegessen hat, während ich selbst nur eine halbe gegessen habe. Haushälterinnen nehmen wir in Kauf, weil wir sonst in unserem Schmutz ersticken müßten, sagte Reger im Ambassador, aber sie sind im großen und ganzen immer widerlich. Wir sind auf die Haushälterin angewiesen, das

Weitere Kostenlose Bücher