Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
zum Ausdruck zu bringen. Mit etwas Wehmut warf er noch einen Blick auf den sonnigen Park, dann traten sie ins Gebäude der Seniorenresidenz und gingen in den Gemeinschaftsraum, in dem sich bereits viele Mitbewohner versammelt hatten. Die Heimleiterin Sibylle Klinkenberg lächelte gütig und begrüßte die Ankömmlinge. »Wunderbar, dass Sie auch noch dazustoßen. Dann sind wir glaube ich vollständig versammelt und begrüßen unseren Gast, Frau Berretz vom Verband Seniorentanz e.V.« Sie klatschte heftig Beifall und animierte die anderen, es ihr gleichzutun. Die so Begrüßte ergriff dann auch das Wort. Lorenz bemühte sich, nicht zuzuhören. Dennoch begriff er, dass es um eine gemeinsame Tanzveranstaltung ging, bei der man sowohl im Stehen als auch im Sitzen teilnehmen konnte. Rasch nahm er auf einem Stuhl Platz.
Sibylle Klinkenberg kam auf ihn zu. »Aber Herr Bertold, Sie sind doch wunderbar zu Fuß. Die Stühle sind für unsere gehbehinderten Mitbewohner gedacht.«
»Mein Bein tut heute arg weh«, antwortete Lorenz und klopfte dann wie ein Zeremonienmeister laut mit dem Gehstock auf den Boden. »Lasst die Spiele beginnen!«
Die Klinkenberg seufzte. »Ach, Herr Bertold, Sie wollen doch, dass ich Sie ernst nehme. Dann geben Sie mir doch bitte die Gelegenheit dazu.«
Die Tanzgruppenleiterin kam lächelnd auf die beiden zu. »Das ist schon in Ordnung«, meinte sie beschwichtigend. »Das Tanzen im Sitzen ist eine wunderbare Sache, und wenn es so für Sie angenehmer ist, dann ist das doch schön.« Dann wandte sie sich an die anderen. »Ich denke, wir beginnen erst einmal mit etwas Musik ganz nach Wunsch, so zum Warmwerden. Was mögen Sie gerne?«
»Eine Rumba, wenn’s geht!«, rief Gustav übermütig aus. »Das weckt den Latino in mir!«
Bärbel lachte hell auf. »Du alberner Kerl!«
Doch nur wenige Augenblicke später hatte die Übungsleiterin bereits eine passende Musikkonserve gefunden, und die gewünschte Rumba begann. Während den herumstehenden und -sitzenden Senioren noch Anweisungen und Hilfestellungen gegeben wurden, begannen Gustav und Bärbel die ersten Schritte. Lorenz betrachtete das Tun der beiden mit Argwohn und kommentierte: »Der alte Kommissar konnte dem feurig tuenden Gockel kaum zusehen.« Als er dann aufgefordert wurde, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, hob er demonstrativ energiesparend abwechselnd mal die eine, mal die andere Hand einige Zentimeter in die Höhe.
Gustav führte Bärbel nah an Lorenz vorbei. Dabei raunte er ihm zu: »Na, was ist, kommst du nicht doch auf den Geschmack?«
Lorenz versetzte: »Geh weg, du tust ja nur so begeistert, um die Bärbel anfassen zu können.«
»Dummkopf«, kommentierte Bärbel, bevor Gustav sie in gekonntem Schwung in die Tiefe des Raumes entführte und Lorenz auf seinem Stuhl zurückließ. Der dachte kurz darüber nach, ob Bärbel ihn oder Gustav gemeint hatte.
Dann trat die Klinkenberg auf ihn zu und machte den Fehler, ihn nochmals anzusprechen. »Herr Bertold, wie wär’s mit ein bisschen mehr Elan? Machen Sie sich und uns die Freude.«
»Was mir und Ihnen Freude macht, sind zwei ganz verschiedene Dinge, die in diesem Leben nicht mehr zueinanderfinden.«
Die Heimleiterin seufzte. »Sie machen es mir wirklich nicht leicht.«
Lorenz antwortete nicht, sondern grinste sie nur stumm an. Dann hob er wieder abwechselnd mal die eine, mal die andere Hand im Takt der Rumba und murmelte dabei: »Eins zwei drei – vier fünf sechs. Eins zwei drei – vier fünf sechs.«
Kopfschüttelnd wandte sich die Klinkenberg von ihm ab. Lorenz registrierte dies mit einem Grinsen. Zufrieden lauschte er der Musik, die er durchaus als anregend empfand, und blickte in die Runde. Er wunderte sich, wie viele seiner Mitbewohner wie selbstverständlich die Rumba mit offensichtlich gut gelernten Schritten tanzten. Andere saßen auf Stühlen und ließen sich zeigen, wie sie sich auch auf diese Art zu der Musik bewegen konnten. Die Übungsleiterin ließ Lorenz wohlweislich in Ruhe. Bärbel und Gustav tanzten auffällig schwungvoll. Lorenz brummte ärgerlich. Von Bärbel hätte er nichts anderes erwartet, sie war ein paar Jahre jünger als er und sehr beweglich. Doch Gustav hätte er diese Agilität nicht zugetraut.
»Dem erfahrenen Ermittler war klar, dass der Alte alles gab, um mit der attraktiven Frau das Tanzbein schwingen zu können.«
Argwöhnisch beobachtete er jede Bewegung Gustavs. Der führte Bärbel elegant durch den Raum, eine Hand immer locker, aber
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