Alter Adel rostet nicht
Lakenverknotungsaktion gestört wurde, und dieses Laken zu schnappen und Spode darin einzuwickeln war für mich das Werk von Sekundenbruchteilen. Ich habe mich mit diesen Dingen zwar schon lange nicht mehr beschäftigt und müßte mich erst noch mal bei Jeeves vergewissern, bevor ich das definitiv behaupte, aber ich meine mich zu erinnern, daß die Gladiatoren im alten Rom eine ähnliche Technik anwendeten, wenn sie in der Arena kämpften, und sie erhielten dafür immer viel Beifall.
Ein Mann, dem man erst ein Gemälde über den Kopf gehauen hat, auf dem eine junge Frau mit einem Piepmatz plaudert, und der sich unmittelbar darauf in ein Bettuch verpackt sieht, muß beinahe zwangsläufig Nerven sowie Durchblick verlieren. Jeder, der es mit Spode gut meinte, hätte ihm in dieser Situation geraten, die Ruhe zu bewahren und sich nicht vom Fleck zu rühren, bis er sich aus diesem Kokon befreit hätte. Nur so hätte sich in einem mit Stühlen und anderen Objekten so dicht übersäten Gelände eine Bruchlandung vermeiden lassen.
Aber Spode tat nichts dergleichen. Als er das Zischen vernahm, mit dem Gussie das Weite suchte, machte er einen Satz in Richtung Tür, und dabei ging er – wie könnte es anders sein – zu Boden. Während Gussie, der gute Fahrt machte, durch die Tür entkam, wälzte sich Spode auf dem Teppich, unentwirrbarer denn je in das Laken verwickelt.
Freunde, die es mit mir gut meinten, hätten mir zweifellos dringend empfohlen, an diesem Punkt selber einen Abgang zu machen, und im nachhinein sehe ich auch ein, daß es ein Fehler war, als ich nach der Vase griff, die auf dem Kaminsims stand – nicht weit von der Stelle, wo sich ehedem das Porzellanfigürchen befunden hatte –, und als ich mit dieser Vase auf die Beule im Laken schlug, bei der es sich, wie die von dort ertönenden Bemerkungen vermuten ließen, um Spodes Kopf handelte. Es war sogar ein entscheidender strategischer Fehler. Ich traf zwar auf den Punkt, und die Vase zerbarst in tausend Scherben, was ja alles sehr schön war – denn je mehr von dem Besitz eines Mannes wie Sir Watkyn Bassett in Schutt und Asche gelegt wurde, um so besser –, aber durch die Wucht des Schlages verlor ich das Gleichgewicht. Und im nächsten Moment kam unter dem Laken eine Hand hervor und packte mich am Jackett.
Das war natürlich eine Situation extremster Gefahr, und andere Männer wären an meiner Stelle wahrscheinlich verzagt und hätten das Handtuch geworfen. Aber wir Woosters zeichnen uns, wie ich schon öfters bemerkt habe, gerade dadurch aus, daß wir nicht so sind wie andere Männer. Wir bewahren einen kühlen Kopf. Wir denken blitzschnell, und wir handeln auch blitzschnell. Napoleon war genauso. Ich sagte ja bereits, daß ich mir gerade, als ich Spode mitteilen wollte, was ich über ihn wüßte, eine Zigarette anzündete. Diesen in einem Zigarettenhalter steckenden Glimmstengel hatte ich immer noch zwischen den Lippen. Ich nahm ihn jetzt eilig heraus und drückte das glimmende Ende gegen die riesige, an einen Schwarzwälder Schinken gemahnende Faust, die mich am Entkommen hinderte.
Das Ergebnis war höchst zufriedenstellend. Man hätte denken sollen, daß Roderick Spode nach den jüngsten Ereignissen auf alles gefaßt gewesen wäre, doch diese simple Manipulation traf ihn gänzlich unvorbereitet. Mit einem lauten Schmerzensschrei ließ er mein Jackett los, und ich zögerte keine Sekunde. Bertram Wooster weiß, wann sein Bleiben vonnöten ist und wann nicht. Wenn Bertram Wooster seinen Weg von einem Löwen versperrt sieht, verdrückt er sich in eine Seitenstraße. Im gestreckten Galopp scheste ich also los, und wahrscheinlich hätte ich die Türschwelle noch um einige Zehntelsekunden schneller überquert als Gussie, wenn ich nicht frontal mit einer voluminösen Person kollidiert wäre, die ausgerechnet in diesem Augenblick hereinkam. Ich weiß noch, daß es mir, als wir einander umarmten, durch den Kopf ging, daß sie es in Totleigh Towers doch immer wieder schafften, einem das Leben schwer zu machen …
Vermutlich war es der Duft von Eau de Cologne, mit dem sie ihre Schläfen zu betupfen pflegte, der es mir gestattete, die voluminöse Person als Tante Dahlia zu identifizieren, obwohl der saftige Jägerfluch, den sie ausstieß, bereits als unverwechselbares Merkmal ausgereicht hätte. In enger Umschlingung gingen wir parterre, und wir müssen wohl ein Stückchen weit ins Zimmer gekullert sein, denn gleich darauf prallten wir mit der lakenverhüllten
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