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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Päule Schlieker mieten … Aber ein Schlieker ist ein Betrüger … Man sollte solch bösen, ehrabschneiderischen Reim nicht einmal im Scherz sagen …: Päule … was das nun wieder soll? Paul –?«
    Plötzlich hörten die Hecken auf. Licht und weit wurde das Land, Felder und Wiesen flossen sanft zu einem großen, grünen See hinab. Drüben, am jenseitigen Ufer, stieg in allen lodernden Herbstfarben ein Wald uferan, aber auf dieser Seeseite lag mit roten Ziegeldächern und altersschwarzen Strohhauben das Dorf. Der Professor schritt rascher aus.
    Am Eingang des Dorfs stand feierlich, mit ruhenden Flügeln, eine große Windmühle. Hühner suchten verloren, ohne sich um den Wanderer zu kümmern, auf der Straße ihr Futter; eine Schar Gänse kreuzte, eifrig schnatternd, seinen Weg; eine Katze sah, regungslos auf den Latten eines Zauns hockend, wie verzaubert den Professor an.
    Aber kein Mensch – Professor Kittguß sah in jedes Fenster, spähte in jeden Hofraum –: nein, kein Mensch. Er hörte die Pferde im Stall scharren, Kühe rasselten mit ihren Ketten – aber an diesem gesegneten Wochentagnachmittag war kein Mensch sichtbar in Haus, Hof, Straße, Dorf.
    Nun stand da eine stattliche Wirtschaft mit breiten, einladenden Steinstufen am Wege. »Krug von Otto Beier« war zu lesen über der Haustür.
    Erleichtert trat Professor Kittguß auf den dämmrigen Hausflur, an einer Tür entzifferte er die Inschrift »Gast stube «, er klopfte, er trat ein. Ein paar Tische, eine Theke, die Flaschen hinter der Theke, die Gläser auf der Theke, ein Strickstrumpf mit dem Knäuel daneben im grünen Sofa – aber kein Mensch.
    Professor Kittguß wartete, er ging hin und her, erscharrte mit den Füßen, er räusperte sich, er hustete, er rief mit schwacher, dann mit starker Stimme: »Ach, bitte –!«
    Aber kein Mensch.
    Er klopfte gegen eine Tür, er klopfte noch einmal, er klinkte sie vorsichtig auf – und sah in den weiten, leeren, staubigen Tanzsaal. Verschmutzt und zerknittert hingen von der Decke grüne Papiergirlanden, auf der Bühne lagen umgeworfene Stühle – aber kein Mensch.
    Kopfschüttelnd klopfte der Professor an eine zweite Tür und kam in ein kleines, düsteres Zimmer. Auf dem ungedeckten, fleckigen Holztisch stand eine Terrine, benutzte Teller und Löffel, als seien sie von den Essern hastig aus der Hand gelegt. Professor Kittguß sah sich um, sah sich wieder um, rief: kein Mensch. Er beugte sich über die Terrine, der Suppengeruch erinnerte ihn daran, daß er seit dem frühen Morgen, seit seinem Abschied von der Müllern nichts gegessen hatte. Ihm wurde ein wenig schwach.
    Eiliger ging er, nach hastigem Anklopfen, in den vierten Raum. Bei seinem Eintritt lief das Heer der Schaben, leise rasselnd und knitternd, über Herd und schmutzigen Backsteinboden in die bergenden Ritzen.
    Noch eine Tür – und von der Steinschwelle sah Professor Kittguß in einen herbstlichen, verliederten Garten, mit zerscharrtem, vertrampeltem Gras, zusammengeklappten Eisentischen, traurig verkommenen Bäumen. Unten aber an seinem Ende leuchtete der grüne, große, reine See, golden lodernd stieg feierlich schweigend der Buchenwald uferan. Eine Weile sah der Professor still auf das schöne Bild, seufzte »Ja, ja« und ging durch den verlassenen Gasthof auf die verlassene Dorfstraße zurück, weiter hinein in dies verlassene Dorf.
    Zum erstenmal auf seiner abenteuerlichen Fahrt, zum erstenmal seit vielen, vielen Jahren hatte ihn ein seltsamesGefühl angerührt, ein Gefühl aus seinen Jugendjahren. Im Anblick des schweigenden Landes, hinter sich den verkommenen Gasthof, hatte er zu sich gesprochen: »Welch wunderbare Wege führst du deine Kinder, Herr!« Und an die Stille seines Studierzimmers hatte er dabei gedacht, das er nun, am Rande des Greisenalters, auf die Botschaft welch seltsamen Engels verlassen hatte, um einer Ungewißheit entgegenzugehen, der er sich längst entrückt glaubte.
    Aufatmend hörte er plötzlich Geschwirr von vielen Stimmen, Gelächter, Zurufe, Schreie. Rascher schritt er aus. Ein offenes Tor führte ihn zu einer großen Hofstatt, auf der das ganze Dorf versammelt schien. Was irgend gehen, was nur kriechen konnte, stand hier, lachend, schwatzend oder stumm wartend: alte Bauern und junge Arbeitsleute, Frauen, unter der bedruckten blauen Schürze die Hände, junge, derbe Burschen in hohen Stiefeln. Schulkinder drängten sich überall durch das Gewimmel, die jungen Mädchen hatten die Köpfe zusammengesteckt und

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