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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Haarsträhnen wehten ihr weich in die Stirn. Schließlich begann sie zu sprechen.
    »Luma ...«
    »Ja, Mutter?«
    »Du hast alles richtig gemacht. Du hast Kerus Wunde gesäubert, wie ich es dich gelehrt habe. Du hast das Loch mit Leder abgedichtet, damit sich seine Lunge wieder mit Luft füllen konnte. Du hast ihm Eichenrindentee und Schwarzwurz gegeben. Du bist sogar so vorsichtig gewesen, ihm nicht den Eisenhut zu geben, den du in Changars Zelt gefunden hast, weil du nicht die richtige Dosierung kanntest. Du hast wie die Heilerin gehandelt, zu der du geboren wurdest, und ich bin stolz auf dich. « Sie legte eine Pause ein, preßte die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und blickte zum jenseitigen Flußufer hinüber.
    »Aber ich will ganz ehrlich zu dir sein: Keru ist sehr krank und sehr schwach. Wenn es uns nicht gelingt, sein Fieber dauerhaft zu senken, wird er nicht mehr lange durchhalten. Ich habe ihm gerade etwas von dem Eisenhut gegeben, den ich aus Shara mitgebracht habe, und ich habe vor, ihm die ganze Nacht über noch mehr davon zu verabreichen, und zwar in sehr kleinen Dosen. Da sein Fieber etwas sinkt, wenn die Sonne untergeht, werden wir nicht vor morgen früh wissen, ob der Eisenhut wirkt. Falls das Fieber morgen wieder steigt, werden wir wissen, daß der Eisenhut nicht geholfen hat. Ich habe leider nichts Stärkeres, was ich ihm geben könnte. Das einzige, was ich dann noch tun kann, ist, zu Batal zu gehen. Wenn ich wirklich zu Ihr gehen muß, dann möchte ich, daß du mir versprichst, mit mir zu gehen. Keru ist dein Zwillingsbruder, und Zwillinge sind auf besondere Weise miteinander verbunden. Ich glaube es gibt Dinge, die Batah dir vielleicht zeigen könnte und die ich nicht verstehen würde.«
    Luma war völlig überrascht. »Ich soll mit dir zu Batal gehen? Du meinst, ich soll in Trance versinken und um eine Heilungsvision bitten? Aber Batal schickt mir doch nie Visionen, Mutter. Das weißt du doch. Meistens erinnere ich mich nicht einmal an meine Träume.«
    Marrah legte Luma die Hände auf die Schultern, zog sie an sich und blickte ihr forschend ins Gesicht, ohne etwas zu sagen. Nach einem Moment lehnte sie sich wieder zurück, als habe das, was sie in Lumas Gesicht gesehen hatte, sie überzeugt. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, daß du traumblind bist. Es gibt eine Methode, diejenigen, die noch nie Visionen hatten, zu Visionen zu verhelfen. Ich kann in die Traumwelt gehen und dich mitnehmen. Es ist gefährlich, aber ich weiß, du hast den Mut, es zu ertragen, und die Vernunft, genau das zu tun, was ich dir sage. Wenn du wie Keshna wärst, würde ich dich niemals aus dem Diesseits herausführen, ohne dich vorher einer vollständigen Initiation zu unterziehen. Ein Mensch wie Keshna könnte wahnsinnig werden, wenn sie einen Wachtraum hätte.«
    Luma wußte, daß ihre Mutter viele Geheimnisse bewahrte, aber sie hatte keine Ahnung gehabt, daß sie so mächtig waren. Wenn Marrah eine Methode kannte, um selbst einen traumblinden Menschen zu einer Vision zu verhelfen, dann bedeutete das, daß sie einen Weg gefunden hatte, den Schleier zu lüften, der das Diesseits von dem heiligen Ort trennte, wo die Göttin die Seelen der Toten und der Ungeborenen hütete. Viele Priesterinnen und Priester konnten in die Traumwelt reisen, aber Luma hatte noch nie von jemandem gehört, der fähig war, noch eine andere Person auf diese Reise mitzunehmen.
    »Und wie wirst du das tun?«
    »Es gibt mehrere Methoden, aber nur eine ist sicher. Ich habe etwas, das mir meine Mutter einmal vor langer Zeit gab, etwas, das ich den ganzen weiten Weg vom Meer der Grauen Wogen mitgebracht habe. Die Angehörigen des Küstenvolks benutzen es, wenn sie Xori, die Vogelgöttin, um Rat fragen wollen; aber deine Großmutter Sabalah erklärte mir, daß sie es manchmal auch benutzt hätte, um Batal anzurufen.« Marrah griff in den Hirschlederbeutel an ihrer Taille und zog einen kleinen schwarzen Gegenstand heraus, der wie ein Stück Horn gekrümmt war. »Faß es ruhig an, wenn du möchtest«, sagte sie. »Es beißt nicht.«
    Luma berührte das seltsame Ding vorsichtig mit einer Fingerspitze. Es war hart wie ein Obstkern. »Was ist das?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber Mutter nannte es das Brot der Finsternis.«
     
    Sie unterhielten sich noch eine Weile. Dann kehrte Marrah in das Zelt zurück, um sich um Keru zu kümmern. Sie verbrachte den größten Teil der Nacht an seiner Seite und flößte ihm Tropfen für Tropfen den

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