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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sie. Weil, weil …
    Aber sie wird es ihm nicht erzählen. Das geht nicht, keinem Menschen und vor allem ihm nicht. Und plötzlich brennt sie darauf zu erfahren, wie es passiert ist. Wie zum Teufel es dazu kommen konnte, dass Arnold Morinder ihren Mann in seinem Scheunenbüro erschlug, obwohl sie mit eigenen Augen Billy mit dem Hammer in den Händen hatte herauskommen sehen?
    Aber bevor er es ihr beschreibt, noch ehe er auf die Details eingeht, begreift sie, dass er die Wahrheit sagt.
    Und zwar nicht nur, weil Arnold Morinder immer die Wahrheit sagt, sondern auch, weil … weil der Junge unschuldig ist.
    Billy hat seinen Vater nicht erschlagen. Er ist kein Mörder.
    Es ist der reine Wahnsinn. Aber es ist wahr. Fast zwanzig Jahre hat sie mit der entgegengesetzten Wahrheit gelebt, und plötzlich wird alles auf den Kopf gestellt. Plötzlich wird alles umgeschrieben, und … und aus all diesen verdammten Tagen und Nächten und Qualen und der Schlaflosigkeit und Sinnlosigkeit ist die Luft heraus, und alles ertrinkt in einem schallenden, stinkenden Gelächter aus der Unterwelt. Wo kommen diese Worte nur her?, fragt sie sich. Stinkendes Gelächter aus der Unterwelt ? Sitzt da einer in meinem Schädel? Ist das Muti? Nein, das ist nicht Muti, bloß mein Gehirn, das sich auskotzt.
    Sie muss ihn nicht mehr ermahnen weiterzuerzählen. Arnold Morinder ist deutlich anzumerken, dass er diese Angelegenheit jetzt selbst zu den Akten legen will.
    »Ja, was denn?«, entschuldigt er sich. »Wir zogen die Leitungen für die Unterwasserbeleuchtung, und dann sah ich dich vorbeikommen. Ich traute verdammt noch mal meinen Augen nicht, und dann am nächsten Tag sah ich dich wieder …«
    Kurze Pause. Ein Schluck Bier.
    »… und an dem Samstag dachte ich, dass ich zu euch gehen und mich zumindest vorstellen und mal schauen sollte, ob du dich an mich erinnern würdest. Um vielleicht auch Harry guten Tag zu sagen, aber dann sah ich doch, dass er dich wie ein verdammtes Schwein behandelte, und ging zu meiner Arbeit zurück. Aber hinterher …«
    »Hinterher?«, sagt sie dann doch.
    »Hinterher, na ja, wir haben doch bis weit in den Abend hinein gearbeitet, obwohl es Samstag war. Aber es gab gutes Geld mit Zuschlägen und allem, das fanden wir alle drei … und als wir fertig waren, fuhren die anderen nach Hause, aber ich ging noch einmal zu euch und dachte, dass ich doch ein bisschen quatschen und mal nachschauen musste. Du warst irgendwohin gegangen, aber ich blieb und überlegte kurz und sah, dass in der Scheune Licht brannte, ging hinein und fand Harry in dem Zimmer.«
    Er verstummt kurz und wirft, bevor er weiterspricht, einen Blick auf sie.
    »Er war ziemlich blau, und, meine Fresse, riss der Typ die Klappe auf. Und ich dachte an dich und was für eine Hölle das für dich sein musste … und er beschimpfte mich, und da lag dieser verdammte Hammer, und dann drehte er mir den Rücken zu. Meinte, ich solle zur Hölle fahren, und daraufhin erschlug ich ihn, ließ den verdammten Hammer fallen und haute ab. Ich denke, ich bin irgendwie in Panik geraten. Scheiße, ich hatte ihn immerhin erschlagen …«
    Er trinkt noch einen Schluck Bier, rülpst und schüttelt den Kopf. Genau wie Harry es immer tat, denkt sie, und als sie für Sekunden die Augen schließt, schieben sich die Bilder des einen und des anderen übereinander. Der Mörder und sein Opfer.
    Sie schweigen wieder. Nachdem er mehr Worte herausgebracht hat als im ganzen Sommer, wirkt er erschöpft, und sie begreift, dass er nicht beabsichtigt, noch mehr zu sagen. Jetzt ist er zufrieden. Jetzt ist er fertig.
    »Ich habe elf Jahre im Gefängnis gesessen«, sagt sie.
    »Du dumme Kuh«, erwidert er und versucht zu lächeln, damit sie versteht, dass es ein Scherz ist.
    Aber Arnold Morinder kann weder lächeln noch scherzen, das hat er nie gekonnt. Sie bleiben noch ein wenig draußen sitzen. Dann meint er, dass wirklich verdammt viele Mücken unterwegs sind und er ins Bett gehen wird. Sie kündigt an, dass sie in der Hängematte schlafen wird. Er hat nichts dagegen einzuwenden, sie wird sich eben gründlich mit Mückenmittel einreiben müssen. Sechs Monate haben sie nicht mehr miteinander geschlafen, keiner von ihnen scheint noch Lust zu empfinden, und im Übrigen geht das in dem schmalen Etagenbett im Haus auch gar nicht.
    Die ganze Nacht liegt sie dort unter zwei Decken, und während sich ein großer Augustmond langsam über die Baumwipfel und den See bewegt, reift der Entschluss in ihr ebenso

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