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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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könnte, hatte wie ein vergifteter Stachel in ihm gesteckt. Nun war dieser Stachel fort.
    Noch ehe er die Tür erreicht hatte, streckte ihn die Trauer nieder. Sie kam von hinten wie eine Orkanböe, und er fiel blindlings zu Boden und blieb wie in einem Krampf liegen, bis es ihm gelang, die Hände zu falten und Gott um Kraft zu bitten.
    Die nötige Kraft, um in die Küche hinunterzugehen, die Kinder am Tisch zu versammeln und es ihnen zu erzählen.

II
    Mai 2012 / Juni 1989

2
    E va Backman klopfte an und trat ein.
    Blieb an der Tür stehen und schaute sich um. Asunander stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und telefonierte. Hinter seinem Schreibtisch lehnte ein Stapel Umzugskartons an der Wand. Wenn sie richtig sah, acht bis zehn Stück. Sie fragte sich, ob er wirklich so viele benötigte. Sollte sie selbst eines Tages ihr Büro räumen, würde ihr vermutlich ein einziger reichen. In ferner Zukunft.
    Oder zwei Papptüten.
    Aber Asunander war Kommissar und Chef, das war natürlich ein Unterschied. Mehr als fünfzehn Jahre hatte er in diesem geräumigen Büro gehaust und alles Mögliche angesammelt. So besaß er beispielsweise ein ziemlich gut gefülltes Bücherregal; wahrscheinlich stammten die meisten Werke aus seinem Privatbesitz. Das hatte sie schon früher des Öfteren gedacht, und nun ließ sie den Blick über die Bücherrücken schweifen und stellte es nochmals fest, während sie darauf wartete, dass er sein Gespräch beendete. Ein lesender Polizist. In erster Linie Geschichte, sowohl Kriminalgeschichte als auch allgemeine Historie. Wörterbücher und Lexika. Ein halber Meter Belletristik.
    Verwahrte er hinter den Bücherreihen im Übrigen edlen Whisky und anderes? Oder in der Schreibtischschublade? Asunander hatte Facetten, die sie nie eingehender erkundet hatte, und da er nur noch knapp zwei Monate auf seinem Posten blieb, würde er seine Geheimnisse wohl auch für sich behalten dürfen.
    Dachte Inspektor Backman und nahm im Besuchersessel Platz.
    Asunander beendete sein Telefonat, drehte sich um, nickte ihr zu und wippte zwei Mal auf Fersen und Zehen vor und zurück, ehe er sich an seinen Schreibtisch setzte.
    »Du räumst auf?«
    Sie deutete auf die Kartons. Er starrte sie an. Sie dachte, dass sie ihm in all den Jahren niemals nahegekommen war und ihr das in diesen letzten Wochen mit Sicherheit auch nicht mehr gelingen würde. Damit befand sie sich in guter Gesellschaft, Asunander war nun einmal, wie er war. Ein Einzelgänger.
    »Toivonen hatte ein paar Kartons übrig. Er ist ja im März umgezogen. Die hat er mir heute Morgen vorbeigebracht.«
    Backman nickte.
    »Aber wir sind nicht hier, um über mein Hinscheiden zu sprechen.« Er räusperte sich und wühlte in den Blätterstapeln auf seinem Schreibtisch. »Es geht um Barbarotti. Wie zum Teufel geht es ihm eigentlich? Gibt es eine nennenswerte Verbesserung?«
    Eva Backman seufzte und überlegte, was sie darauf antworten sollte.
    Verbesserung ? Sekundenlang betrachtete sie Asunanders schwere Gesichtszüge. Gab es hinter diesen Falten und der Elefantenhaut so etwas wie Einfühlungsvermögen? Existierte dort ein Funken Wärme und Menschlichkeit, oder hatten die Jahre und der Überdruss und die Einsamkeit die letzten Reste von Mitgefühl abgeschliffen?
    Schwer zu sagen.
    Drei Wochen waren seit Mariannes Tod vergangen, gut eine seit ihrer Beerdigung. Eva Backman hatte in dieser Zeit praktisch täglich mit Barbarotti gesprochen. Meistens sogar zwei oder drei Mal. Hatte versucht, mit ihm zu sprechen . Zuletzt an diesem Morgen. Sie wusste nicht, ob das Wort »Verbesserung« in diesem Zusammenhang irgendeine Relevanz besaß. Sie hatte jedenfalls keine erkennen können, wusste jedoch nicht, was sich hinter Barbarottis roboterhafter Fassade verbergen mochte.
    Wie dunkles Wasser unter der Eisdecke auf einem Waldsee; der Gedanke war ihr an diesem Morgen mal wieder gekommen, und es war vermutlich kein schlechtes Bild für die Lage.
    »Er kommt heute Nachmittag.«
    »Ja, das ist mir bekannt«, sagte Asunander. »Also stellt sich die Frage, welche Verwendung wir für ihn finden können.«
    »Verwendung?«
    »Jetzt leg meine Worte nicht auf die Goldwaage. Du weißt schon, was ich meine.«
    »Ich glaube, es ist wichtig, dass er wieder arbeitet«, sagte Eva Backman.
    »Wir können hier niemanden therapieren«, entgegnete Asunander. »Nicht einmal unter diesen Umständen. Versteh mich nicht falsch, auch ich habe ein Herz im Leib.«
    »Das habe ich nie bezweifelt«,

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