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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Nasir
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Nein, das traute ich mich nicht.
    Ich nahm mein Handy erneut in die Hand und beschwor es gerade verzweifelt, als es plötzlich laut piepste und vibrierte. Ich erschrak mich so sehr, dass es mir aus der Hand fiel und auf die Fliesen knallte. Es zersprang in mindestens sechs Teile.
    ›Nein! Mein teures iPhone!‹ Ich sprang von der Couch und lief im Kreis um mein kaputtes Handy herum. Ich rastete total aus. Schimpfte, flehte, kniete nieder, suchte die herumliegenden Teile zusammen, setzte sie hoffnungsvoll aneinander, warf die Hände nach oben und verfluchte den lieben Gott.
    Nach einigen Minuten fiel mir auf, dass Herr Gartenwein von seinem Balkon aus zu mir herüber schaute. Ich sah sicher wie eine Verrückte aus, die einen traditionellen Opfertanz vollführte. Ich ging zum Fenster und zog demonstrativ die Vorhänge zu. Zur Beruhigung biss ich mir in die Hand.
    ›Okay, okay, okay, was kann ich tun?‹ Ah, Geistesblitz! Die SIM-Karte rausnehmen, und ab damit ins alte Handy. ›Oh ja, wie gut, dass ich so schlau bin.‹
    Ich ging zu meiner Wohnzimmerschrankwand und öffnete die linke Tür. Fast wäre mir der gesamte Inhalt entgegen gekommen und hätte mich erschlagen.
    ›Das wär’s ja!‹ Ich würde hier sterben, ohne zu wissen, ob die Nachricht überhaupt von Joshua war. Ich schlug die Tür kräftig zu und überlegte einen Moment. Ich versuchte, im Kopf die Stelle des alten Handys auszumachen. Als ich in etwa wusste, wo es liegen musste, öffnete ich die Tür erneut. Aber nur so weit, dass ich meine Hand und meinen Arm hineinstecken konnte. Ich tastete mich langsam voran: Da war die kleine Kiste mit den Kettenanhängern, hier die Spieluhr, vorbei an dem Porzellanweihnachtsmann, unter das Poster von Leonardo DiCaprio, … ich wusste, ich war fast da. Irgendetwas versperrte mir jedoch den Weg. Ich fühlte an dem Gegenstand entlang und erkannte es als alte Spielzeugpistole von der ›Dippemess‹. Mein altes Handy musste doch eigentlich genau daneben ... ah, ja! Da war es ja.
    Ich fischte es geschickt aus dem Schrank und atmete erleichtert aus. Zitternd setzte ich die SIM-Karte ein und drückte auf den Power-Knopf. Nichts passierte. Der Akku war leer.
    ›Och nööööö!‹ Das Handy lag seit Monaten unbenutzt im Schrank. Selbstverständlich passte das Ladegerät von meinem iPhone nicht. Ich begab mich auf die Suche nach dem passenden Charger. Geschlagene 20 Minuten später stöpselte ich das Handy endlich ein. Ich wartete noch eine halbe Minute, bis ich das Batteriezeichen auf dem Display sehen konnte. Dann drücke ich den Power-Knopf erneut. Sofort klopfte mein Herz schneller. Netzsuche. Netz gefunden. Und da war er: der kleine Briefumschlag. Ich bestätigte und las die Nachricht:

    Sorry wg. später
    Antwort. Würde gerne
    mit dir schnacken …
    Hast du Festnetz? Jo.

    Klar hab ich! Ich schickte ihm meine Nummer. Weniger als 30 Sekunden später klingelte mein anderes Telefon. Ich nahm den Hörer ab und hatte sofort schweißnasse Hände.
    »Hallo?« Ich hielt den Atem an.
    »Nadia?«
    »Ja …?« Noch immer atmete ich nicht.
    »Hey, ich bin’s … Joshua!«
    »Hi, wie geht’s dir?« Mein Kopf wurde lila.
    »Gut, danke. Tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Wir mussten heute viele Interviews geben, und ich kam nicht dazu, dir zu schreiben. Jetzt dachte ich, miteinander reden ist besser. Ich freu mich sehr, dass du dich gemeldet hast.«
    Endlich entkrampfte sich mein Organismus, und ich konnte wieder Luft holen. Dann klatschte ich mir mit der Hand an die Stirn: ›Logisch! Einfache Erklärung, er war doch zu beschäftigt gewesen.‹
    Er erzählte mir von seinem Frust wegen einem saublöden Reporter, und wir tauschten weitere Dinge aus unseren Leben aus. Wir quatschten über zwei Stunden und verabredeten uns erneut. »Nadia, ich kann am Freitag nach Frankfurt kommen. Zwar muss ich am Samstag wieder abreisen, da die Tour noch läuft, aber wenn du mich sehen willst …«
    Und ob ich wollte! Ich fand keine Worte zu beschreiben, wie überglücklich ich war. Das war alles total unwirklich.
    ›So etwas passiert doch nicht im echten Leben, oder?!‹ Ich kniff mir fest in den Arm. Am nächsten Morgen hatte ich dort einen dicken blauen Fleck.

    Die Woche schleppte sich dahin. Aber mit dem Zeitempfinden war das ja ohnehin so eine komische Sache. Schon immer vergingen sechs Wochen Sommerferien schneller, als drei Wochen Schule.
    Wir simsten uns mittlerweile täglich. Kleine Aufmerksamkeiten. Er wünschte mir einen

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