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Am Ende der Angst

Am Ende der Angst

Titel: Am Ende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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durch sein Entkommen bei seinen Chefs zumindest einen Bonus verdient.
    Ich seufzte. Ich wurde wirklich alt.
    In der Ferne hörte ich das Heulen der Polizeisirenen. Auf ihr Eintreffen wollte ich jedoch nicht mehr warten. Jetzt hatte ich definitiv Feierabend.
     
    Als ich am SUV ankam, traf Ronald ein. Ich sah auf die Uhr. Vierzehn Minuten zu spät. Wenn ich keinen Einbrecher zu fassen gehabt hätte, wäre ich mächtig sauer über diese Verspätung gewesen.
    Ich wies meinen Kollegen kurz ein, dann holte ich aus dem Wagen meine Schlüssel und bog um die Ecke, wo mein Motorrad auf mich wartete. Nur zwei Minuten später brauste ich davon.
     
    Im »Sommerabend« herrschte Hochbetrieb, als ich ankam. Wer sich diesen Namen für ein Obdachlosenheim ausgedacht hatte, gehörte in eine mittelalterliche Folterkammer und im Anschluss daran nach Guantanamo, um dort weiter gequält zu werden, bis er einen passenderen Namen für das triste, graue Gebäude gefunden hatte. Von außen erinnerte es eher an einen Bunker oder einen vernachlässigten Schuppen als an eine Herberge für Obdachlose und einen sicheren Aufenthaltsort für Nutten, Stricher und anderes Nachtgetier der Stadt. Aber es passte in die Gegend. Die Straßen rund um das »Sommerabend« waren grau und schmutzig, die Wohnhäuser schon seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert. In den Ecken standen Dealer und Nutten, in den verfallenen Hauseingängen und alten Garagen schliefen Obdachlose.
    Harrington war eine mittelgroße Kleinstadt in New Jersey und mit etwa fünfzigtausend Einwohnern nicht unbedingt der Nabel der Welt. Um ehrlich zu sein, kannte kaum jemand ihre Bedeutung oder sagen wir mal, Bedeutungslosigkeit. In den Reiseführern wurde sie ignoriert, auf Landkarten war sie lediglich als kleiner roter Punkt in den Wäldern und Wiesen zwischen New York und Washington mitten in New Jersey verzeichnet. Wer sie dennoch besuchte, fand sie in mehrere Bezirke geteilt. Es gab die edlen Vororte, wie der, in dem ich heute Tarek erwischt hatte, und die Gegend, in der sich die Mittelschicht aufhielt, mitten in der Stadt und im kleineren inneren Kreis um das Zentrum herum. Wir hatten eine kleine Universität und einen Industriepark mit Gewerbeeinrichtungen, Baumarkt, Outlet-Einkaufszentren und einer riesigen Freizeitanlage mittendrin. Und es gab sogar ein richtiges Ghetto. Das lag nicht weit entfernt vom »Sommerabend« und war berüchtigt für seine Drogenrazzien und Messerstechereien.
    Innen sah das Gebäude für die Obdachlosen Harringtons, das ich meist zweimal in der Woche besuchte, zwar freundlicher aus als draußen, aber an einen Sommerabend erinnerte dennoch so gut wie gar nichts. Er roch nicht nach Sonnenöl und frisch gemähtem Gras, sondern nach Essen, Schmutz, Urin und nach Menschen, die seit Monaten in denselben Klamotten schliefen. Statt Vogelgezwitscher war das Murmeln der Obdachlosen zu hören, mancher erzählte immer dasselbe, Tag und Nacht. Ununterbrochen. Das einzig Erfreuliche im »Sommerabend« war Skye. Sie war schöner als ein Sonnenuntergang und wärmer als jede leichte Sommerbrise.
    Sie stand hinter dem Tresen und gab Essen aus, immer mit einem tröstenden oder aufbauenden Wort für die Männer und Frauen der Straße. Es war mir ein Rätsel, wie sie es schaffte, in all dem Elend um sie herum nie das Lächeln zu verlieren.
    Doch als ich heute eintrat, wirkte sie anders.
    Sie sah mich mit einem seltsamen Ausdruck an, der mich unruhig werden ließ. Seit einigen Wochen, oder besser gesagt, seit drei Monaten, zwei Wochen und vier Tagen kam ich regelmäßig jeden Dienstag und Donnerstag in den »Sommerabend« und trank nach Feierabend ein Bier mit den Obdachlosen. Das Bier brachte ich selbstverständlich mit und teilte es großzügig unter den Männern auf. Natürlich fiel ich auf unter den Obdachlosen. Ich sah mit Anfang vierzig noch meinem Alter entsprechend aus, während die Männer meines Jahrgangs im »Sommerabend« mindestens zwanzig Jahre älter wirkten. Ich war gepflegt und durchtrainiert, trug eine teure Lederjacke und passende Lederschuhe. Ich musste ihr auffallen, doch ich war froh darüber, dass sie mich wie einen der anderen behandelte und nur hin und wieder ein oberflächliches Gespräch mit mir anfing, mich nach dem Woher und Wohin fragte, aber sonst in Ruhe ließ. Bei unserer ersten Begegnung war sie auf mich zugekommen und hatte mich gefragt, ob Peter, einer der Obdachlosen, der zu schüchtern oder zu dement oder krank war, selbst zu fragen, auch ein

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