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Am Ende Der Straße: Roman

Am Ende Der Straße: Roman

Titel: Am Ende Der Straße: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene , Charlotte Lungstrass
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mich nicht so, und ich ging davon aus, dass dieses Drücken weder sanft noch liebevoll wäre, wenn ich jetzt zu ihm ginge. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich mich überhaupt hätte bewegen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Meine Füße fühlten sich an, als würde ich knöcheltief in Zement stehen. Ich schaute rüber zu Russ und Christy. Sie starrten beide fassungslos in die Dunkelheit, in die gleiche Richtung wie ich gerade noch, aber ihre Reaktionen verrieten mir, dass keiner von beiden dasselbe sah wie ich. Ich fragte mich, was sie wohl sahen. Dann drehte ich mich wieder zu meinem Großvater um, der mich jetzt anlächelte.
    »Geh weg«, flüsterte ich.
    » Komm schon, Robbie«, drängte er mich wieder. »Komm wenigstens hier rüber, wo ich dich besser sehen kann. Du bist ja jetzt richtig erwachsen. Diese blonden Haare und die blauen Augen … Du siehst genauso aus wie deine Mutter, als sie in deinem Alter war.«
    Er winkte mich heran. Die Dunkelheit schien um ihn herumzufließen wie Wellen in einem schwarzen, öligen Teich.
    »Geh weg«, sagte ich wieder und schloss die Augen. »Bitte, geh weg. Du bist nicht mein Großvater. Du bist nicht real. Kannst du nicht sein. Du bist gestorben.«
    » Ich bin real«, versicherte er mir. » Berühre mich, Robbie. Spüre mich. Ich bin völlig fest.«
    Ich öffnete die Augen. In seinem Blick schien dieses kalte Licht zu schimmern. Es umgab flackernd und funkelnd seinen Körper und floss von Kopf, Schultern und Fingerspitzen. Er hatte sich noch immer nicht gerührt.
    Russ allerdings schon. Während ich die Augen geschlossen hatte, war er auf die Dunkelheit zugestolpert. Er streckte die Arme nach etwas aus, das ich nicht sehen konnte. Auf seinem Gesicht lag ein schockiertes, verwirrtes Lächeln.
    »Aber warum hast du nicht angerufen?« Russ starrte in die Dunkelheit. »Wenn du mir gesagt hättest, dass du kommst, hätte ich dich doch am Flughafen abgeholt.«
    Ich schaute in die Richtung, in die er starrte. Da war nichts zu sehen. Dann drehte ich mich zu Christy um, doch die schien keinen von uns beiden wahrzunehmen. Sie kniete weinend auf der Straße, wischte sich mit den Händen Augen und Nase ab und wiederholte immer und immer wieder: »Es tut mir leid.«
    »Ach, Blödsinn«, sagte Russ lächelnd. »Das macht mir gar keine Mühe.«
    » Robbie«, rief mein Großvater. »Kümmere dich nicht um die. Du musst näher kommen. Ich kann dich kaum erkennen.« Ohne weiter auf ihn zu achten, rannte ich zu Russ. Er war nur noch knapp einen Meter von der Trennlinie entfernt, wo aus Dunkelheit die Abwesenheit von Licht wurde. Sein Lächeln wurde immer breiter, und er nickte als Antwort auf etwas, das ich nicht hören konnte.
    »Klingt gut«, sagte er. »Ich habe dich auch vermisst. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr. Lass uns doch in meine Wohnung gehen. Die Vergangenheit ist vergangen.«
    »Russ!«
    Er zögerte, drehte sich aber nicht um. Schnell hechtete ich zu ihm und packte sein Handgelenk. Er wandte sich mir zu wie ein Schlafwandler. Das verwirrte Lächeln lag immer noch auf seinen Lippen.
    Ich drückte sein Handgelenk. »Wo willst du hin, Mann?«
    »Robbie?« Er blinzelte verwirrt. »Hey, ich würde dir gerne jemanden vorstellen.«
    »Da ist niemand, Russ. Das ist ein Trick.«
    »Bist du irre? Sie steht doch da drüben. Schau!«
    Ich schaute hin. Sie war nicht da. Ich erklärte es ihm. Dann erzählte ich ihm von meinem Großvater.
    » Robbie«, unterbrach mich mein Großvater wie aufs Stichwort. »Jetzt komm endlich. Schluss mit dem Unsinn.«
    »Halt endlich dein Maul«, brüllte ich.
    »Wen schreist du so an?«, fragte Russ überrascht.
    »Meinen Grandpa. Du kannst ihn nicht hören, richtig? Und ich wette, du kannst ihn auch nicht sehen, oder?«
    Russ nickte stirnrunzelnd. Er schaute in die Dunkelheit hinaus, dann wieder zu mir.
    »Und ich kann weder hören noch sehen, was du da
draußen entdeckt hast«, erklärte ich ihm. »Sie sind nicht real, Russ. Wir haben Halluzinationen. Das ist wie ein schlechter Trip.«
    »Es… es ist nicht real?«
    »Nein. Das ist nur die Dunkelheit. Irgendetwas in dieser Dunkelheit spielt mit unserem Verstand, Mann.«
    »Sie ist nicht da.«
    Das war zwar keine Frage, aber ich schüttelte trotzdem den Kopf. Russ rieb sich die Augen und ließ den Kopf hängen. Seine Schultern sackten zusammen, als hätte er eine schwere Last zu tragen. Ich hörte ihn schluchzen und dachte mir, dass er gleich anfangen würde

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