Am Ende der Welten - 16
und dergleichen bringen, daher hatte ich, während die Wochen und schließlich Monate ins Land gingen, reichlich Gelegenheit zu sehen, was mit diesen Knaben geschah. Obwohl ich nie wirklich Gelegenheit hatte, im Einzelnen herauszufinden, was man diesen Knaben beibrachte, ist mir doch eine Passage in Erinnerung geblieben, die sie unablässig lauthals in strammer Körperhaltung rezitierten: >Alleine bin ich nichts. Mein Leben erlangt Bedeutung nur durch die Hingabe an andere. Gemeinsam sind wir eins, stets einer Meinung, für ein gemeinsames Ziel.<«
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Blick starr in die stillen Fluten des Brunnens gerichtet, stand Richard da, während Jebra fortfuhr, in endlosen Einzelheiten die Ereignisse zu schildern, die sich an den triumphalen Sieg der tapferen Soldaten der Imperialen Ordnung anschlössen. Die Sinnlosigkeit all dessen war fast zu monumental, um sie mit dem Verstand zu erfassen, geschweige denn zu ertragen.
Die Streifen hellen Sonnenlichts, die durch die Oberlichter fielen, krochen gemächlich über Marmorbank und Becken hinweg, über den weitläufigen Fußboden und schließlich die granitenen Stufen hinauf. Der blutrote Stein der Säulen erstrahlte leuchtend, als das Sonnenlicht unaufhaltsam und immer mehr zunehmend der Länge nach an ihnen in die Höhe kroch, während Jebra die Geschehnisse in ihrer Zeit als Gefangene der Imperialen Ordnung in allen Einzelheiten schilderte, soweit sie ihr bekannt waren. Fast die ganze Zeit über hatte Shota unbeweglich ausgeharrt, meist mit verschränkten Armen, das Gesicht erstarrt zu einem vagen Zug von Bitterkeit, während sie Jebra bei der Schilderung ihrer Erlebnisse oder Richard beim Zuhören beobachtete - so wollte sie sichergehen, dass seine Aufmerksamkeit nicht nachließ. »Galea besaß Nahrungsmittelreserven in Hülle und Fülle für seine Bürger«, fuhr Jebra fort, »aber nicht einmal annähernd genug für die gewaltigen Horden von Eindringlingen, die jetzt die Stadt besetzt hielten und die selbst nicht eben reich mit Vorräten ausgestattet waren. Die Truppen beraubten jedes Magazin seiner Lebensmittelvorräte, sie leerten jede Speisekammer, jedes Lagerhaus. Jedes Tier in meilenweitem Umkreis, darunter auch die zahllosen Schafe, die man wegen ihrer Wolle hielt, sowie die Milchkühe, wurden um ihres Fleisches willen geschlachtet. Anstatt die Hühner eines steten Nachschubs mit Eiern wegen zu verschonen, wurden auch sie getötet und gefressen.
Als die Nahrungsmittel schließlich knapp wurden, schickten die Offiziere Boten mit immer dringlicher klingenden Forderungen nach frischen Vorräten los. Doch diese blieben monatelang aus - zweifellos nicht zuletzt deswegen, weil der Winter angebrochen war und sie aufgehalten hatte.
Doch dann, Anfang letzten Frühjahrs, trafen endlich die ersten Vorratswagen ein. Sie führten gewaltige Mengen an Lebensmittel für die Soldaten mit, gleichwohl war mir sofort klar, dass sie, obwohl die mit Vorräten beladenen Wagenkolonnen scheinbar endlos waren, nicht lange reichen würden.
Außer den Vorräten kamen auch Verstärkungen, als Ersatz für die in der Schlacht zur Niederwerfung Galeas gefallenen Soldaten. Bereits jetzt war die ungeheure Übermacht der Truppen der Imperialen Ordnung so überwältigend, dass die zusätzlichen Truppen mein dumpfes Gefühl von Hoffnungslosigkeit noch zu steigern schienen. Zufällig hörte ich eben eingetroffene Soldaten berichten, es seien weitere Vorräte unterwegs, ebenso noch mehr Truppen. Noch während sie von Süden her herbeiströmten, wurden viele von ihnen mit Missionen zur Sicherung anderer Gebiete der Midlands beauftragt. Es mussten noch andere Städte erobert, andere Gebiete eingenommen, andere Widerstandsnester ausgehoben werden, es gab noch unzählige weitere Menschen, die als Sklaven verschleppt werden sollten.
Mit den Vorräten und frischen Truppen trafen auch Briefe der Menschen daheim in der Alten Welt ein. Natürlich waren es keine an irgendwelche individuellen Soldaten gerichteten Briefe; in der Imperialen Ordnung hätte man gar nicht gewusst, wie man angesichts der gewaltigen Menschenmassen einen bestimmten Soldaten hätte ausfindig machen sollen, noch hätte man überhaupt ein Interesse daran gehabt, da Individuen an sich in ihren Augen ja unbedeutend waren. Vielmehr waren es ganz allgemein an die >tapferen Soldaten< adressierte Schreiben, die für die Menschen daheim und zum Wohle ihres Schöpfers kämpften, dafür kämpften, die
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