Am Ende der Welten - 16
Heiden aus dem Norden zu besiegen und diese rückständigen Menschen mit den Segnungen des Ordens zu beglücken. Die Briefe wurden über einen Zeitraum von mehreren Wochen jeweils abends verlesen, vor eigens dafür versammelten Gruppen von Soldaten, von denen die meisten des Lesens selbst nicht mächtig waren. Es waren Briefe jedweder Art, von Menschen, die von den großen Opfern berichteten, die sie gebracht hatten, um Lebensmittel und andere Güter an ihre kämpfende Truppe zu schicken, bis hin zu Briefen, in denen die großen Opfer gepriesen wurden, welche die Soldaten erbrachten, um die göttlichen Lehren zu verbreiten, bis hin zu Liebesbriefen junger Frauen, die versprachen, ihren Körper all den tapferen Kämpfern zur Verfügung zu stellen, sobald diese von der Eroberung des unzivilisierten und rückwärtsgewandten Feindes hoch im Norden zurückkamen. Wie ihr euch vorstellen könnt, erfreuten sich gerade letztere Briefe besonderer Beliebtheit, weshalb sie wieder und wieder unter großem Gejohle und stürmischem Jubel vorgelesen wurden.
Sogar Erinnerungsstücke schickten die Menschen aus der Alten Welt: Talismane, die den Sieg bringen sollten, Zeichnungen als Schmuck für die Zelte ihrer Kämpfer, Kekse und Kuchen, die längst verrottet waren; Socken, Handschuhe und Mützen, Kräuter für alle nur erdenklichen Zwecke von der Teezubereitung bis hin zur Füllung von Bandagen; parfümierte Taschentücher verzückter Frauen, die es kaum erwarten konnten, sich den Soldaten anzudienen; Waffengürtel und Ähnliches, hergestellt von Scharen junger Knaben, die sich wiederum mit anderen Knabengruppen der gleichen Altersgruppe auf den Tag vorbereiteten, da auch sie endlich gen Norden ziehen durften, um jenes Volk zu strafen, das sich der Weisheit des Schöpfers und der Gerechtigkeit der Imperialen Ordnung widersetzte.
Bevor die endlosen Kolonnen von Nachschubwagen wieder in die Alte Welt zurückkehrten, um noch mehr Vorräte herbeizuschaffen, die für den Unterhalt der gewaltigen Armee hoch oben in der Neuen Welt benötigt wurden, wurden sie mit Massen von Beutegütern beladen, die in die Städte der Alten Welt verbracht werden sollten, welche die von der Armee so dringend benötigten Lebensmittel und Nachschubgüter lieferten. Es war eine Art Tauschhandel - Beute gegen Nachschub, Nachschub gegen Beute. Ich vermute, der Anblick der endlosen Wagenkolonnen voller erbeuteter Reichtümer sollte den Menschen zuhause zudem als zusätzlicher Anreiz dienen, die mittlerweile zweifellos enormen Kosten dieser Kriegsanstrengungen auch weiterhin zu tragen.
Natürlich war die in die Stadt eingefallene Armee viel zu groß, um von dieser aufgenommen zu werden, und angesichts der mit jeder Wagenkolonne eintreffenden Verstärkungen breitete sich das schon jetzt schier endlose Zeltmeer noch weiter in die Landschaft aus, wo es nun sämtliche Hügel und Täler ringsumher bedeckte. Sämtliche Bäume in weitem Umkreis waren längst geschlagen worden und hatten während des jüngsten Winters als Feuerholz Verwendung gefunden, was im gesamten Landstrich rings um den Sitz der Krone den Eindruck einer leblosen und toten Ödnis hinterließ. Unter den wogenden Massen der Soldaten, der zahllosen Pferde und der Vielfalt von Wagen hatte frisches Gras keine Chance nachzuwachsen, sodass sich ganz Galea in ein Meer aus Morast verwandelt zu haben schien.
Unterdessen schuftete ich bis zur Erschöpfung, um all die Offiziere mit Essen zu versorgen, daher hielt ich mich häufig in der Nähe des Befehlsstabes auf und konnte nicht selten Eroberungspläne, Meldungen von gefallenen Städten, Gefangenenzahlen sowie Berichte über die Anzahl der in die Alte Welt entsandten Sklaven belauschen. Ab und zu schleppte man einige der attraktiveren Frauen für die Offiziersränge herbei, damit diese sich ihrer bedienen konnten. Die Augen dieser Frauen waren irre vor Angst, was mit ihnen geschehen würde. Ich wusste, schon bald würde der sehnsüchtige Wunsch nach Erlösung durch den Tod ihren Blick trüben. Das alles schien mir eine einzige nicht enden wollende Attacke, eine endlose Barbarei, die durch nichts erkennen ließ, ob sie je enden würde.
Mittlerweile war die Stadt nahezu vollständig von den Menschen geräumt worden, für die sie einst das Zuhause gewesen war. Fast jeder männliche Einwohner über fünfzehn war umgebracht worden, und die Handvoll, auf die das nicht zutraf, hatte man als Sklavenarbeiter fortgeschickt. Viele der Frauen - alle, die entweder zu
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