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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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glauben, daß man die Bedeutung von etwas verstehe, das war eben leider nicht das gleiche, wie etwas wirklich zu verstehen. Wann immer er sich bemühte, einen Bengsatz in seine eigene Sprache zu übersetzen, begann er zu tasten, und es mißlang ihm.
    Koshmar erteilte ihm den Befehl, sich eifrig der Erlernung der bengischen Sprache zu widmen. »Dring in das Geheimnis ihrer Worte ein«, sagte sie, »und tu es rasch! Sonst stehen wir ihnen hilflos gegenüber.«
    Eifrig und voller Zuversicht begab er sich ans Werk. Wenn einer wie Sachkor ihre Sprache erlernen konnte, dann würde vermutlich auch er keine Schwierigkeiten damit haben.
    Wie sich herausstellte, war die Sache jedoch mühsamer, als er erwartet hatte. Zunächst wandte er sich an Noum om Beng, da dieser gebrechliche verhutzelte Alte im Beng-Stamm den gleichen Rang innehatte wie Hresh bei seinem Volk. Noum om Beng hatte sich in einem labyrinthischen Gebäude niedergelassen, das in den Tagen der Großen Welt möglicherweise ein Palast gewesen war. Es lag dem Spiralturm direkt gegenüber, und hier thronte er auf einer schwarzen Steinbank, über die eine festliche vielfarbige Webdecke gebreitet lag, und hielt den ganzen Tag lang Hof in der hintersten und unzugänglichsten Kammer des Hauses, einem kahlen, leeren schmucklosen Gemach mit weißen Wänden.
    Er schien gern bereit, ihn zu unterrichten, und sie verbrachten immer wieder lange Stunden zusammen; Noum om Beng redete, und Hresh lauschte aufmerksam und mühte sich – mit höheren Erwartungen, als von Erfolg gekrönt –, die Bedeutung des Gesagten aus der Luft zu erhaschen.
     Es fiel Hresh überhaupt nicht schwer, die Bezeichnungen für Dinge zu erlernen: Noum om Beng brauchte nur auf etwas zu zeigen und das Wort zu sagen. Doch wo es um abstrakte Begriffe ging, fand Hresh die Geschichte weitaus zäher und komplizierter. Nach und nach gelangte er zu der Überzeugung, daß Sachkors Behauptung, die Beng-Sprache zu verstehen, zu einem Teil leichte Wörter, zu drei Teilen Herumraterei und zu sechs Teilen Angabe gewesen sein müsse.
    Allerdings gab es eine Verwandtschaft zwischen den Sprachen der Beng und seiner eigenen, dessen war Hresh sich gewiß. Die Sätze und Satzteile wurden auf ähnliche Weise aneinandergefügt, und bestimmte Bengwörter erschienen ihm wie traumerlebte Verzerrungen von Wörtern aus der Sprache des Volkes. Vielleicht waren beide Sprachen Abkömmlinge einer einzigen Ursprache, die jedermann gesprochen hatte, ehe die Todessterne gekommen waren. Doch schien es, daß während der vieltausendjährigen Isolation, in welcher die Stämme Schutz vor dem Langen Winter in ihren Kokons gesucht hatten, jeder Stamm für sich damit begonnen hätte, seine Sprechweise unmerklich zu verändern, bis dann, mit der Zeit, eine kleine Veränderung und noch eine und noch eine zu einem völlig verschiedenen, eigenständigen Wortschatz und grammatikalischen Formen führte.
    Die langsamen Fortschritte, die Hresh machte, bereiteten ihm Verzweiflungsqualen. Er hatte nahezu alle anderen Forschungsarbeiten aufgegeben, um sich ausschließlich und ganzzeitlich auf das Bengstudium zu konzentrieren. Jedoch auch nach vielen Wochen verstand er nur sehr wenig. Mit Noum om Beng zu reden, das war wie wenn man zu sehen versuchte und dabei ein dickes schwarzes Tuch um den Kopf gewickelt hat. Es war, wie wenn man das Geräusch des Windes hören wollte, während man in einem dunklen Schlund, tief drunten in der Erde begraben liegt.
    Hresh kommt nicht recht voran mit dem Studium der Beng-Sprache. Er kann nur fünfzig, sechzig einfache Wörter und weiß doch nicht, wie er sie auf nützliche Weise zusammenfügen muß, um Informationen zu übertragen – oder zu gewinnen…
    Er kannte fünfzig, sechzig einfache, leichte Wörter, doch hieß das ja nicht, daß er die Sprache der Fremden sprechen konnte. Noch immer wußte er nicht, wie er diese paar Wörter auf nützliche Weise zusammenfügen mußte, um Information zu übertragen – oder zu gewinnen. Und alles übrige an dieser Sprache war ihm wie gewaltiger Rauch und Dunst. Noum om Bengs trockene Flüsterstimme redete und redete und redete, und was Hresh betraf, so konnten dies durchaus Dinge von höchster Wichtigkeit sein, doch es gelang ihm nicht, mehr als ein Wort unter Tausenden zu erhaschen und zu begreifen. Der Greis war höflich und geduldig. Doch er schien nicht zu erkennen, wie wenig Hresh tatsächlich verstand.
    »Du könntest es doch mal mit Tvinnr mit ihm versuchen«, schlug

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