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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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getroffen hätten.
    Noum om Beng sah ergriffen, ehrfürchtig und erstaunt aus. Ein Strom sich überstürzender Worte schäumte über seine Lippen, wovon Hresh jedoch nur eines verstehen konnte, das Noum om Beng viele Male wiederholte.
     »Nakhaba! Nakhaba!« Großer Gott! Großer Gott!
    Im Verlauf jener ersten seltsamen Wochen nach dem Auszug Harruels und der Spaltung des Stammes überraschte Taniane sich oft dabei, daß sie dachte: Wäre ich doch mit ihm gezogen.
    Dies hätte sie ganz gewiß getan, falls Hresh sich dazu entschlossen hätte. Als Harruel damals mit so wildem Gesicht Hresh aufgefordert hatte, zwischen seinem Stamm und seiner Mutter zu wählen, hatte Taniane den Atem angehalten und gewußt, daß sich jetzt ihr eigenes Schicksal entscheiden werde. Doch Hresh hatte es abgelehnt mit fortzuwandern; und Taniane hatte langsam ausgeatmet und aus ihrem Gehirn die Erklärung verbannt, die sie sonst einen Augenblick später abgegeben hätte: die Absage an ihr Volk und an das Leben in Vengiboneeza.
    Und so war sie also noch immer hier. Aber warum? Und zu welchem Zweck?
    Wäre sie mit den anderen ausgewandert, ein ganz neues, ein beschwerliches schwieriges Leben hätte sich ihr auf getan. Wie hart das Leben außerhalb der Stadt sein kann, das wußte sie ja bereits. Und sie konnte sich auch recht gut vorstellen, welche neuen Lasten und Beschwernisse die Herrschaft eines ‚Königs Harruel’ mit sich bringen würde.
    Der Mann war brutal, ungehobelt, grausam und gefährlich. Er hatte ein kaltes Herz und ein hitziges Temperament. Möglich, daß er nicht immer so gewesen war, doch Taniane hatte beobachtet, wie er sich seit dem Tag des Aufbruchs in die Welt mehr und mehr verändert hatte, sich mehr und mehr selbstherrlich und autonomistisch betragen hatte. Murrend und grollend, aufmuckend wider jegliche Entscheidung Koshmars, die Alleinmärsche ins bergige Grenzland, wann immer er Lust dazu verspürte, der Aufbau seiner eigenen kleinen Verteidigungsstreitmacht, ohne Koshmar erst um die Erlaubnis zu bitten, und endlich die direkte Konfrontation mit dem Häuptling, die Machtprobe – und die Vergewaltigung von Kreun, auch dies, wie er sie so einfach zu Boden warf und sie gegen ihren Willen mißbraucht hatte…
    Ja, so war Harruel. Wahrscheinlich kopulierte er dort draußen in der Wildnis jetzt mit sämtlichen Frauen, die mitgezogen waren, und nicht nur mit seiner Gefährtin, Minbain; auch mit Thaloin und Weiawala und Galihine und Nittin. Denn er war ja jetzt der ‚König’. Und er konnte tun, was in seinem Belieben stand. Er würde auch mit mir kopulieren, wenn ich mitgegangen wäre, dachte Taniane. Aber andererseits, es gab Schlimmeres, als mit einem König zu kopulieren.
    Sie machte sich Gedanken darüber, warum Kreun ihn wohl abgelehnt hatte. Vielleicht deshalb, weil ihr der Kopf dermaßen voll war von dem Sachkor; ja, bestimmt deswegen. Zwang, das war nicht recht, aber normalerweise brauchte ja auch niemand mit Gewalt zur Kopulation gezwungen zu werden. Es genügte üblicherweise, wenn jemand einen höflich dazu einlud. Hätte Harruel Taniane in der Siedlung aufgefordert, sie hätte gewiß mit ihm kopuliert. Aber – er hatte sie eben nie aufgefordert. Immer war er für sich geblieben, immer nur hatte er finster dreingeblickt und in sich hineingebrummt. Vielleicht hat er mich für zu jung gehalten, dachte sie plötzlich bestürzt. Dabei war sie ja nicht viel jünger als Kreun, und die hatte ja auch seine Aufmerksamkeit erregt. Kreun ist sehr schön, behaupten die Leute, sagte sich Taniane, aber immerhin, von mir sagt man das ja auch.
    Die Vorstellung, mit Harruel zu kopulieren, erregte sie. Ach, diese ganze männliche Kraft, diese ganze unheimliche Gewalttätigkeit… in der Umschlingung ihrer Beine! Ihn vor Lust stöhnen zu hören! Das harte Zupacken seiner Finger an dem Fleisch ihrer Arme!
     Ja, schön und gut, aber Harruel, der war jetzt da draußen, irgendwo in der Wüste und Wildnis, und sie, sie hockte noch immer in Vengiboneeza, und sie wartete noch immer darauf, daß sie endlich älter sein werde, daß endlich ihre Zeit komme. Aber vielleicht kam die nie. Koshmar strotzte von Lebenskraft. Und das Grenzalter war abgeschafft. Taniane hatte sich früher immer träumerischen Wunschvorstellungen hingegeben, daß sie eines Tages Häuptling und Stammesführerin sein werde. Und nun erkannte sie, daß die Verwirklichung ihres Traumes in immer fernere Zukunft entschwand.
    »Aber – würdest du denn Häuptling

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