Am Ende war die Tat
folgten sie dem Pfad, der die rückwärtigen Gartenmauern der Häuserreihe säumte. Dieser Pfad führte zum östlichen Teil des Parks, der sich hier zu einem Streifen Buschwerk verjüngte, begrenzt von einem asphaltierten Weg und dem Kanal dahinter.
Joel konnte dem Gebüsch nicht widerstehen. »Sekunde, Tobe«, sagte er, und während Toby treuherzig zu ihm aufblinzelte, tat Joel das, was die meisten Männer in London ohne jedes Schamgefühl tun, wenn der Drang sie überkommt: Er pinkelte in die Büsche. Die Erleichterung war sagenhaft. Sie gab ihm neuen Schwung. Die Ängste, die die Siedlung zuvor in ihm ausgelöst hatte, waren so gut wie verflogen, und er nickte in Richtung des Asphaltwegs jenseits des Gebüschs und setzte sich in Bewegung. Toby folgte.
Nach gut dreißig Schritten blickten sie auf einen Teich hinab. Das Wasser glitzerte schwarz und bedrohlich, doch ein Wasservogel, der im Uferschilf hockte und mit dem Schnabel klapperte, vertrieb die unheimliche Stimmung. Schwaches Licht fiel auf einen Holzsteg. Ein gewundener Pfad führte dorthin, und die Jungen eilten hinunter. Sie polterten über die Holzbohlen und knieten am Rand des Stegs nieder. Links und rechts von ihnen flohen Enten ins Wasser und paddelten davon.
»Cool, was, Joel?« Toby schaute sich lächelnd um. »Wir könnten uns hier ein Fort bau'n. Bitte! Wenn wir's hinter den Büschen da bau'n, kann keiner ...«
»Pssst!« Joel legte seinem Bruder eine Hand auf den Mund. Er hatte gehört, was Toby in seiner Erregung nicht wahrgenommen hatte: Mehrere Personen gingen oben den Fußweg am Grand Union Canal entlang - junge Männer, dem Klang der Schritte nach.
»Gib ma' den Joint rüber, Mann. Sei nich' so geizig.«
»Was zahlst 'n? Ich bin doch nich' das Sozialamt, Mann.«
»Komm schon, du lieferst hier doch eh überall Gras und Dope aus.«
»Hey, geh mir nich' auf'n Sack.«
Die Stimmen verhallten. Sobald die Jungen fort waren, stand Joel auf und kletterte die Böschung hinauf. Toby flüsterte ängstlich seinen Namen, aber Joel brachte ihn mit einer schnellen Geste zum Schweigen. Er wollte wissen, wer diese Jungen waren, um abschätzen zu können, was dieser Ort für sie bereithielt. Oben angekommen, konnte er auf dem Pfad jedoch
nichts als Schemen erkennen, Silhouetten an der Wegbiegung. Es waren vier, alle identisch gekleidet: weite Jeans, Sweatshirts mit hochgezogenen Kapuzen und Anoraks. Behindert durch den tiefhängenden Schritt ihrer Hosen, hatten sie einen schlurfenden Gang. Auf den ersten Blick wirkten sie alles andere als bedrohlich. Aber ihre Unterhaltung hatte etwas anderes offenbart.
Auf Joels rechter Seite erhob sich ein Ruf, und er entdeckte in der Ferne jemanden auf der Brücke, die den Kanal überspannte. Zu seiner Linken wandten die Jungen sich um, um zu sehen, wer sie gerufen hatte. Ein Rasta, meinte Joel zu erkennen. Er hielt eine Sandwichtüte in der ausgestreckten Hand.
Joel hatte genug erfahren. Er duckte sich und glitt die Böschung hinab zu Toby. »Wir hau'n lieber ab, Mann«, sagte er und zog Toby auf die Füße.
»Wir könn' ein Fort bauen ...«, begann Toby.
»Nicht jetzt«, zischte Joel. Er führte ihn in die Richtung, aus der sie gekommen waren, bis sie zurück vor der Haustür ihrer Tante und vergleichsweise in Sicherheit waren.
2
Genera Osborne kehrte an diesem Abend um kurz nach sieben nach Edenham zurück. Sie kam in einem alten Fiat Punto um die Ecke der Elkstone Road geknattert. Bekannte konnten Genera in ihrem Kleinwagen immer mühelos an der Beifahrertür erkennen, auf die irgendjemand in blutrot triefender Farbe »Blas mir einen« gesprayt hatte. Genera hatte die krude Aufforderung stehen lassen, nicht weil sie es sich nicht hätte leisten können, die Tür neu lackieren zu lassen, sondern weil ihr einfach die Zeit dazu fehlte. Sie arbeitete an der Kasse in einem Wohltätigkeitsladen der AIDS-Stiftung auf der Harrow Road und bastelte gleichzeitig an einer Karriere als Masseurin. Letztere befand sich allerdings noch in den Kinderschuhen. Genera hatte achtzehn Monate lang Kurse am Kensington and Chelsea College besucht, und seit sechs Wochen versuchte sie, sich als freiberufliche Masseurin zu etablieren.
Dabei hatte sie vor, zweigleisig zu verfahren: Sie wollte das kleine Gästezimmer in ihrem Haus für die Kunden nutzen, die lieber zu ihr kommen wollten, und gedachte, mit einem zusammenklappbaren Massagetisch und den Ölen im Kofferraum diejenigen Kunden zu besuchen, die in den eigenen vier Wänden
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