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Am Malanger Fjord

Am Malanger Fjord

Titel: Am Malanger Fjord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Mügge
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wüste Mann, der gestern den Fuß in deines Vaters Haus gesetzt hat, lauert auf dich wie der graue Wolf an den Seitas meiner Heimat, wenn in den heiligen Steinen ein zitterndes Geschöpf sich verirrt hat.«
»Ich mag ihn nicht, er ist mir verhaßt«, flüsterte Mary ängstlich bittend.
»Du wirst ihn mögen müssen«, erwiderte Olaf verzweifelt. »Ich habe in deines Vaters Augen gelesen, und in den seinen sah ich dein Verderben. Der gewissenlose gierige Mann, der hergekommen ist, wie der Vogt heimlich sagte, weil er im Süden nicht mehr zu dulden war, dem Sünde und Gewalt aufgeprägt sind mit allen Zeichen: er wird dich in sein Haus schleppen, und ich, Mary, ich werde draußen in der Nacht stehen und ihn lachen hören, wenn du weinst.«
»Nein, Olaf! O mein Gott! – Nein, nein!«
»Ja, ja!« rief er heftig, »es wird so kommen – ich höre sein Hohngelächter – aber ich werde es nicht zulassen, Mary, ich werde dich mit meinem Leben beschützen – ich werde –«
Weiter kam Olaf nicht, denn in diesem Augenblick sprang Stureson, außer sich vor Wut, aus seinem Versteck.
»Du!« schrie er mit seiner rauhen tiefen Stimme, »du Wurm – was willst du, du lappischer Hund? Du Kobold?«
Mary sank mit einem angstvollen Schrei besinnungslos nieder, und schon schnürte sich Sturesons fürchterliche Hand um Olafs Kehle, der vergebens Anstrengungen machte, sich zu befreien. Er war kräftiger, als seine schlanke Gestalt es vermuten ließ, aber Stureson, von wahrer Berserkerwut ergriffen, ließ ihn nicht mehr los, riß ihn mit sich fort und drängte ihn mit übermächtiger Gewalt an den Rand der Klippe. Eine Minute lang entstand dort ein verzweifeltes Ringen. Noch einmal sah dann der Sieger in das Gesicht seines Opfers, das ihn aus starren Augen anblickte, dann warf er mit einem letzten heftigen Stoß den strauchelnden Körper weit über den Klippenrand hinab in die schwarze Tiefe.
Er hörte das Wasser aufrauschen von dem schweren Fall, dann ein dumpfes Geplätscher, ein gurgelndes Stöhnen – und nun wieder die alte Stille. – Stureson bog sich tief hinunter, seine Füße und Hände zitterten, er hörte nichts mehr, alles blieb still.
»Liege bei den Grundhaien, sie werden dich hoffentlich nicht wieder loslassen«, murmelte er leise vor sich hin, während ein schreckliches Lachen seine Züge entstellte. Er wischte sich den Schweiß von, der Stirn und sah nach dem Mond hinauf, dem einzigen Zeugen seiner Tat, dessen verglimmendes Licht die Szene beleuchtete.
Nun wandte er sich nach der Bank um, auf welcher Mary lag. Rasch nahm er Geige und Bogen des unglücklichen Schulmeisters und schleuderte sie ihm nach, dann erst richtete er die Ohnmächtige auf, rieb ihre Schläfen, küßte ihre kalten Lippen, nannte sie mit zärtlichen Namen und deckte seine mörderische Hand auf ihr leise schlagendes Herz.
Nach mancher Bemühung erwachte Mary endlich wieder zum Leben. Sie richtete sich auf und rief, angstvoll um sich schauend, Olafs Namen.
    »Er ist nicht mehr hier«, sagte Stureson in sanftem, vorwurfsvollem Ton.
»Und wohin ist er? Was ist ihm geschehen?« fragte sie hastig.
»Nichts ist ihm geschehen«, erwiderte der Landrichter, »und es soll ihm auch nichts weiter geschehen, ich schwöre es Ihnen, liebe Mary! Seien Sie ganz ruhig, hier ist nichts, was Sie erschrecken könnte!«
»Ich muß fort«, murmelte das junge Mädchen, indem sie aufzustehen versuchte.
»Wir müssen beide fort«, sagte Stureson, »denn der Tag will anbrechen – aber hören Sie mich einen Augenblick, Mary. Ihr edles Herz hat Sie hierher geführt aus Mitleid für die Klagen eines Toren, der mit dem kindischen Hochmut seines Volkes sich überschätzt. Ich weiß, daß allein dieser Edelmut Sie zu einem Schritt verleiten konnte, der, wenn er bekannt würde, Sie dem Spott der rohen Menge aussetzte und Ihrem Vater die tiefste Wunde schlüge.«
»O Gott, mein Vater!« flüsterte sie mit erlöschender Stimme.
»Er wird nie etwas davon erfahren«, fuhr Stureson fort, »nie, so wahr ich lebe und mit treuer Freundschaft Ihnen anhänge! Und nun geben Sie mir Ihre Hand, Mary, wir wollen kein Wort mehr darüber sprechen. Olaf wird sich abgekühlt haben. Er hat recht, Sie auf immer zu verlassen, und hoffentlich hält er seinen Entschluß, Sie nicht wiederzusehen, oder doch dann erst – wenn alles sich erfüllt hat«, setzte er leise hinzu.
Willenlos folgte Mary, als er sie die Stufen hinabführte und ihr auf dem Wege zu ihres Vaters Haus leise Beteuerungen und

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