Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
die Abteilung »Aufnahme bewegter Bilder« schon einmal vorgefahren ist, um von einer Anhöhe aus unsere Verfolgung in einer ganz besonderen Perspektive auf DVD zu bannen, dreht meinFahrer sich plötzlich zu mir um.
»Let’s go!«, ruft er.
»But we have to wait …«
»It’s okay, let’s go.«
»But …«
»I know the place – let’s go!«
Ich gebe auf.
Er sieht meinen unsicheren Gesichtsausdruck und erklärt mir dann, dass sein Kumpel und er schon sehr oft beim Film gearbeitet hätten. Seit Jahren seien sie in der Branche tätig. Sie wüssten, wie das gehe und was erwartet werde. Anschließend gibt er Gas und fährt los.
Schön, dass bei unserer Webvideo-Produktion wenigstens die Komparsen für Kinostandard sorgen.
Es ist beruhigend, solche Kompetenzbolzen am Lenker zu wissen.
Allerdings bin ich völlig verwirrt, dass ihr Enthusiasmus auch dann noch andauert, als der Dreh auf der Straße eigentlich bereits beendet ist und die Kamera schon längst, in ihre Fototasche gehüllt, auf dem Rücksitz des Teamfahrzeugs liegt.
Während die anderen Teammitglieder bereits alles eingepackt haben und ermattet in den Geländewagen der Tourguides hinter uns herfahren, sitze ich immer noch auf dem Sozius, denn mein Fahrer und der Nazgul haben noch lange nicht Feierabend. Sie fahren hintereinander, nebeneinander, voreinander her, mit Schwert in der Luft, mit Schwert auf dem Lenker, mit Schwert an der Seite … Und alles – die ganzen tollen Einstellungen und Bilder – für eine nicht vorhandene Kamera. Ich neige mich einfach nur zur Seite, wenn wieder eine Kurve kommt. Sehr telegen ist das nicht, aber gedreht wird ja eh nicht mehr. Und ich habe Angst, im Wirbelsturm der Komparsenbegeisterung entweder den Halt auf dem heißen Ofen oder den Kopf durch die Klinge des Nazgulschwertes zu verlieren.
Besonders beeindruckend finde ich die Einfahrt nach Queenstown. Nicht, weil auf dem Motorrad hinter uns ein Mann in schwarzem Umhang sitzt und durch die Straßen knattert.
Auch nicht, weil er dabei mit einem Schwert kraftvoll und ungestüm durch die Luft fuchtelt.
Und erst recht nicht, weil vor ihm ein Hobbit mit Helm unterwegs ist, der sich dauernd ängstlich nach seinem Verfolger umblickt.
Nein, ich bin beeindruckt, weil das hier einfach überhaupt keinen interessiert.
Nun ja, sagen wir mal so: Die drei Filmchen von Peter Jackson spielten bisher weltweit knapp drei Milliarden Dollar ein. Allein in Deutsch land sahen den dritten Teil in wenigen Wochen dreimal so viel Menschen, wie es Einwohner in Neuseeland gibt. Eine komplette Branche ist touristisch darauf ausgelegt, den Besuchern die Drehorte zu zeigen und alle Formen von Merchandising zu verticken. Nerdige HdR-Fans werfen die Begriffe Neuseeland und Mittelerde permanent durcheinander.
Und jetzt kommst du.
Als Hobbit verkleidet.
Auf einem Moped.
Uiuiuiuiuiuiui! – wie ungewöhnlich.
Am Ende holt er mich natürlich ein, der Nazgul, der Böse. Direkt vor dem Hotel. Die Motorräder halten an, ich will durch die Glastür in die Lobby rennen, aber der Nazgul versperrt mir den Weg, steigt vom Motorrad und hebt sein Schwert. Ich sehe dem sicheren Tod ins Auge, aber dann kommt mein Kameramann, Alex, der Held, er rettet mich mit seinen Wolverine-Krallen.
Das war die letzte Szene, die wir hier noch gedreht haben.
»sehr schön drehschluss«, sagt Tommy, dreht sich um und geht.
Nun kann sich auch der Tourist wieder frei bewegen, der vorher im Bild gestanden hat. Auf die Bitte, kurz zur Seite zu gehen, versteckt er sich. Hinter einer Glastür …
… aber den Touri mit der blauen Kappe auf dem Balkon habt ihr vergessen zu informieren. Der lehnt nämlich wie Tante Erna aus Wanne-Eickel auf seiner Veranda und bestaunt euren Mega-HdR-Dreh. Wo wir schon beim Film sind: In 03’57’’ schaust du für Sekundenbruchteile direkt in die Kamera. Aber wir sind ja hier nicht bei www.filmfehler.de . Vermutlich war es ein dramaturgischer Griff ins Klo … äh … in die Trickkiste, die dramaturgische?
Damit ist mein letzter Arbeitstag beendet. Über eine Woche lang jeden Tag an einem anderen Ort, eine andere Aufgabe, die natürlich keine … Ich weiß schon.
All dies im Kopf ziehe ich mich dezent in eine Ecke zurück und entledige mich des Kostüms. Und so, wie ich den Hobbit Kleidungsstück für Kleidungsstück abstreife, so fällt auch der Job von mir ab. Morgen haben wir noch einen Tag zur freien Verfügung, der beim Fernsehen unromantisch Off-Day genannt wird.
Als ich
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