Am Sonntag kommt das Enkelkind - und andere Einblicke in meine Wel
wir mit wegwerfender Handbewegung, wenn wir nicht hören mögen, was der Gesprächspartner uns mitzuteilen hat. Leute, die sich selbst nichts schenken, treiben sich an, dass es Ochs und Esel jammert. Gastwirte schenken ein und auch aus, aber mit Menschenfreundlichkeit hat das wenig zu tun.
Geschenke kommen wahrlich nicht immer von Herzen. Homer setzt uns da ins Bild. Die Griechen stellten den Trojanern ein hohes hölzernes Pferd vors Stadttor gefüllt mit Feinden, die bis zu den Zähnen bewaffnet waren und die die Schlacht für sich entschieden. Danaergeschenke von solch weittragender Bedeutung sind selten geworden. Übergroße Holzpferde würden in unserer misstrauischen Zeit Argwohn erwecken und abgeschleppt werden, ehe sie ihre unheilvolle Wirkung entfalten könnten. Das Danaergeschenk an sich gibt es noch immer. Wer einen Vierjährigen mit einer Trommel beschenkt, eine Diabetikerin mit Vanillekipfeln oder einen 18-Jährigen mit einem Ferrari, könnte bei den antiken Griechen (den Danaern) reüssieren.
Die meisten der schönen klugen Sprüche über das Schenken erziehen nicht mehr zur Herzlichkeit der alten Schule. Welcher Mann ist noch in der Lage, wie vom Dichter Joachim Ringelnatz empfohlen, der Liebsten ohne Bedenken eine Kachel aus seinem Ofen zu schenken? Vielleicht glauben die Heutigen noch nicht einmal mehr, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten. Vielleicht höre ich deshalb, dass immer mehr Leute beschlossen haben, sich dieses Jahr gar nichts zu schenken. Man ahnt, dass sich die Vernunftgelenkten vor dem Spiegel stolz auf die Schulter klopfen. Bestimmt imponieren sie auch ihrem Hund und wähnen, sie hätten endlich den Schlüssel zum wahren Glück gefunden. Geld und Kräfte sparen sie allemal. Nur weshalb drängeln sich in dieser Tagen so viele Leute mit verbissenem Gesicht in den Geschäften? Gefährlich sind sie bestimmt nicht. Vielleicht versuchen sie nur, ein kleines Lächeln und ein Tütchen Freude zum Sonderpreis zu ergattern.
Sind Puppenwagen aus der Mode gekommen?
Die Bilder sind nach Jahrzehnten so frisch wie in den frühen Fünfzigern. Da lagen wieder Puppen und Autos und Lokomotiven und Malstifte unter den Weihnachtsbäumen und nicht mehr ein Päckchen Maisgrieß, ein Schrumpfapfel oder im Bestfall weiße Kniestrümpfe aus dem kratzigen Garn von Zuckersäcken gestrickt.
Die Menschen hatten wieder ein Leben jenseits von Not und Angst. Auch die Kinder. Gerade sie! Am zweiten Weihnachtstag und am Tag danach führte die junge Generation ihre Schätze aus. Mädchen schoben neue Puppenwagen, die Begüterten hatten nagelneue Puppenkinder. Zopffräuleins, die nicht zur Elite zählten, bemutterten abgeknutschte Teddys oder Puppenjungen, die einen Arm oder ein Auge im Krieg gelassen hatten. Und die Puppen hießen Anna und Trude und Hans, nicht Carmen, Minka oder Dennis.
Die Buben fuhren mit neuen Dreirädern und Rollern vor. Auch da gab es den garstigen Graben zwischen Arm und Reich. Holz war das Material der Bescheidenen. Chrom zierte die Fahrzeuge der Wohlhabenden, die Glücklichsten hatten Tretroller mit Ballonstreifen und eine Fahrradklingel am Lenker. Nicht zu vergessen, wenn Schnee lag (wovon es früher mehr als heute gab und fast immer zu Weihnachten), die neuen Schlitten. Kleine krähende Zwerge wurden von älteren, gutmütigen Geschwistern durch die Anlage gezogen. Dass dies alles wahr ist, nehme ich auf meinen Eid. Die Idylle genoss ich vom Wohnzimmerfenster aus. Sozusagen als Zeitzeuge. Das Wort kannte man in den Fünfzigern noch nicht. Deutsche Normalverbraucher legten damals Wert darauf, nichts gesehen zu haben und nichts bezeugen zu können.
Schaue ich heute zum Fenster heraus, hockt eine Krähe auf den blattlosen Bäumen vor dem Haus und bejammert die Ernährungslage, und auf den Bänken, auf denen früher den Puppenkindern die Windeln gewechselt wurden, lallt höchstens ein Betrunkener, der sich bis Silvester rundum verkühlt haben wird. Wo aber sind die stolzen Puppenmütter abgeblieben, wo die Buben auf Rädern?
Sie sitzen zu Hause und glotzen fern und halten das, was sie hören und sehen, für das wahre Leben. Oder sie lassen ihre kleinen, geschickten Finger über das Keyboard vom Computer flitzen und tauchen in Regionen ab, in denen die Eltern ihnen nicht folgen können. Von Oma und Opa ganz zu schweigen. Aus Plüschhunden und Stoffkätzchen wurden Kuscheltiere, die auf dem Bett sitzen oder im Regal hocken und nicht ausgefahren werden. Ihre kleinen Besitzer tun mir
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