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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Kamals Kind, das ich in mir trug, und ich habe es selbst getötet, als ich versuchte, seinen Vater zu retten …«
    »Du hast Kamal gerettet«, verbesserte Hingis. »Du hast nach bestem Gewissen gehandelt, Sarah.«
    »Habe ich das?« Sie schaute ihn hilflos an.
    »Allerdings.«
    »Und was nützt es? Sie haben mir alles genommen, Friedrich. Alles …«
    »Ich weiß. Und deshalb solltest du die Schuld nicht bei dir suchen, sondern bei denen, die für dein Unglück verantwortlich sind. Ludmilla von Czerny ist noch immer da draußen, Sarah. Sie ist entkommen und wird weiter versuchen, die Pläne der Bruderschaft Wirklichkeit werden zu lassen.«
    »Und?«
    »Wir müssen sie finden«, verkündete der Schweizer, und einmal mehr begann die Brille auf seiner Nase zu beben. »Wir müssen alles daransetzen, diese Pläne zu vereiteln – und wir müssen Kamal finden und ihn aus den Armen dieser fürchterlichen Frau befreien.«
    »Mein guter Friedrich.« Trotz ihrer Trauer und des Schocks, unter dem sie stand, brachte Sarah nun doch ein mattes Lächeln zustande. »Wie sollen wir das bewerkstelligen? Die Czerny und Kamal sind spurlos verschwunden. Weder wissen wir, wohin der Ballon geflogen ist, noch haben wir sonst einen Hinweis darauf, wo sie sich aufhalten.«
    »Vielleicht nicht« räumte Hingis gelassen ein und griff unter seinen Gehrock, um einen würfelförmigen, metallenen Gegenstand hervorzuziehen. »Aber wir haben das hier.«
    »Der Codicubus!«, rief Sarah und schlug die Hände vor den Mund.
    »Allerdings.«
    »Du … Du hast ihn noch?«
    »Ich hatte ihn die ganze Zeit über. Man hat mich nie danach gefragt, also habe ich nichts gesagt«, erklärte Hingis in erschöpfender Logik. »Es war ein kluger Schachzug von dir, mich zum Wächter des Artefakts zu machen – offenbar hat mir das niemand zugetraut, nicht einmal unsere Feinde.«
    »Aber ich dachte, du hättest ihn unterwegs verloren …«
    »Ein Schweizer Landsmann ist überaus gründlich«, stellte der Gelehrte klar. »So leicht geht ihm nichts verloren.«
    »Offensichtlich.« Der Blick, mit dem Sarah sowohl ihn als auch den Würfel in seiner Hand betrachtete, war voll ehrlicher Bewunderung.
    »Wenn wir also Hinweise wollen, brauchen wir nur den Codicubus zu öffnen und uns seinen Inhalt anzusehen«, schlug Hingis vor, der kaum wiederzuerkennen war. Aus dem zaudernden, intriganten Bücherwurm von einst war ein mutiger Abenteurer geworden.
    »Das ist wahr«, stimmte Sarah zu. Nach allem, was die verbrecherische Gräfin unternommen hatte, um in den Besitz des Artefakts zu gelangen, war davon auszugehen, dass es brisante Informationen barg, den Schlüssel zu einem neuen Geheimnis. Gewissermaßen, dachte Sarah, war der Codicubus Polyphemos’ Vermächtnis an sie gewesen, Geschenk und Auftrag zugleich …
    »Wir sind auf dem Weg nach Venedig?«, fragte sie.
    Hingis nickte.
    »Dann werden wir dort Quartier beziehen und den Winter über abwarten. Wir werden Wissen und Kräfte sammeln, und wenn der Frühling anbricht, werden wir die Jagd eröffnen. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich die geheimen Pläne der Bruderschaft aufgedeckt und Kamal aus den Fängen der Gräfin befreit habe.«
    »Meine Hand darauf«, sagte Hingis und streckte ihr seine Rechte hin, die sie prompt ergriff.
    »Als Polyphemos starb«, überlegte Sarah, »gab er mir den Auftrag, Tammuz zu befreien. War es in Wirklichkeit Kamal, den er meinte? Aber warum dann dieser andere Name?«
    »Wir werden es herausfinden«, meinte Friedrich Hingis überzeugt. »Schon sehr bald …«

EPILOG
    U NBEKANNTER O RT
N OVEMBER 1884
    Dieselbe der Welt entrückte Kammer, die weder Tür noch Fenster hatte. Dieselben Personen, die einander darin gegenüberstanden.
    »Bericht«, verlangte die eine, die ihren Zylinder abgenommen hatte und sich auf einen hölzernen Stock mit goldenem Knauf in Form eines Drachenkopfs stützte.
    »Trotz unseres überstürzten Aufbruchs«, erstattete die andere Rapport, »können wir die Mission in Griechenland als vollen Erfolg werten. Obwohl es dem Feind mit Hilfe eines Verräters gelungen ist, die Quelle des Lebens zu zerstören, ist es uns gelungen, eine genügende Menge des Elixiers in unseren Besitz zu bringen.«
    »Was ist mit dem Verräter?«
    »Er wurde gefangen und überwältigt. Der Arzt, den Sie mir empfahlen, hat sich als wahrer Meister in der hohen Kunst der Folter erwiesen, allerdings nichts aus ihm herausbekommen.«
    »Der Codicubus bleibt also verschollen?«
    »Ja, Meister.«
    »Und

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