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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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waren mit dem Aufzug heraufgekommen, in dem sie die Bodenbesatzung überwältigt und sich nach oben hatten ziehen lassen. Und nachdem sich der Aufstiegsturm unter ihrer Kontrolle befand, kamen immer noch mehr von ihnen herauf, sodass die Schergen der Bruderschaft schon bald in der Minderzahl waren.
    Wohin Sarah auch blickte, sah sie schwarz gewandete Kämpfer getroffen zu Boden sinken. Vor dem Refektorium entbrannte ein blutiges Gemetzel, als sich ein ganzer Pulk von Czernys Dienern mit blanken Klingen auf einen Trupp Soldaten stürzte. Das Geklirr der Waffen und das Geschrei der Männer hallte bis zu Sarah und Hingis herüber, die sich in gebückter Haltung an der Mauer entlangbewegten in der Hoffnung, keinen der Querschläger abzubekommen, die heulend durch die Luft pflügten.
    Sarah konnte ihr Glück darüber, den Freund am Leben zu sehen, kaum fassen. Es beflügelte sie und gab ihr neue Kraft, verdrängte die Übelkeit und die Schwäche. In aller Eile berichtete sie Hingis von Kamals Heilung und vom Foltertod Polyphemos’, worauf den sonst so gleichmütigen Schweizer wilde Wut zu packen schien. Die Pistole, die ihm seine griechischen Verbündeten gegeben hatten, in der Hand, schlich er Sarah hinterdrein, entschlossen, jene Person zur Rechenschaft zu ziehen, die für all dies Verantwortung trug und die sich feige aus dem Staub gemacht hatte!
    Wieder kam es zu einem heftigen Schusswechsel zwischen Griechen auf der einen und den Schergen der Bruderschaft auf der anderen Seite, sodass Sarah und Hingis gezwungen waren, sich in den Schutz eines Felsbrockens zu flüchten. Als eine kurze Feuerpause eintrat, wagte sich Sarah aus der Deckung und ließ ihren Blick über den Hof schweifen – von der Gräfin und Cranston war weit und breit nichts zu sehen.
    »Sie sind fort«, stellte sie aufgebracht fest. »Wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Weit können sie nicht sein«, rief Hingis über den abermals aufbrandenden Schusslärm hinweg und hustete, als eine Wolke Pulverdampf zu ihnen herüberdrang. »Die Soldaten kontrollieren den Aufzug. Sie können also nicht entkommen.«
    »Ich weiß«, sagte Sarah, sicher war sie sich jedoch nicht.
    Obwohl Ludmilla von Czerny ihre Feindin war und in vielerlei Hinsicht ihr genaues Gegenstück, war sie ihr auf manche Weise ähnlich. Daher wusste Sarah, dass die Gräfin sich nicht so leicht geschlagen geben würde und in jedem Fall noch ein Ass im Ärmel hatte …
    »Dort!«, rief Hingus plötzlich und deutete zur Ostseite des Plateaus, wo der Hof von einem hohen, quer stehenden Gebäude begrenzt wurde, um das ein schmaler, von einer nur kniehohen Mauer begrenzter Weg verlief. Dahinter erblickte Sarah etwas, das ihr einen heiseren Schrei entlockte: die runden Formen eines Fesselballons, der mit majestätischer Langsamkeit in den stahlgrauen Himmel stieg.
    »Nein!«
    Ungeachtet des Kugelhagels, der weiter die Luft erfüllte, weil ein letzter Rest von Sektierern sich unterhalb des katholikóns verschanzt hatte und diese Stellung erbittert verteidigte, sprang Sarah auf und rannte auf das Quergebäude zu, so schnell ihr geschwächter Zustand es erlaubte. Im Laufen hob sie einen Säbel vom Boden auf, der einem Gefallenen gehört hatte, und hetzte atemlos weiter. Hingis hatte Mühe, ihr auf den Fersen zu bleiben.
    Beim Anblick des Ballons war Sarah jäh bewusst geworden, worin Ludmilla von Czernys Ass bestand. Sie erkannte, dass der Widerstand, den die Handlanger der Gräfin in blindem Gehorsam leisteten, nur dazu diente, deren Rückzug zu decken. Alles in ihr wehrte sich dagegen, die Urheberin allen Unglücks entkommen zu lassen.
    »Warte!«, rief sie in rasendem Zorn, während sie mit ansehen musste, wie der Ballon immer weiter emporstieg, sodass seine immense, aus blauen und weißen Stoffbahnen zusammengefügte und mit einem engmaschigen Netz überspannte Rundung nun schon fast ganz über dem Haus zu sehen war. »Du Schlange entgehst mir nicht …!«
    Sie hatte das Gebäude erreicht und bog in die Gasse, die zum Ballon führte – als ihr plötzlich jemand den Weg versperrte, breitbeinig und mit einem Revolver in den Händen, dessen Mündung auf sie zeigte.
    »Cranston!«, entfuhr es Sarah atemlos.
    »Ganz recht. Die Gräfin hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass Ihr Weg hier zu Ende ist«, beschied ihr der Arzt mit arroganter Blasiertheit.
    »Richten Sie dieser elenden Schlampe aus, dass sie mich kreuzweise kann«, konterte Sarah, sich weniger der Wortwahl einer Lady befleißigend als

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