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Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel

Titel: Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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wich ich zum erstenmal von seinem Modell ab. Meine Lebensumstände betreffen ganz allein mich, und ich denke ständig nach, seit ich meine Selbständigkeit erlangt habe. Der echte Jurt weiß Dinge, die ich nicht weiß, und er besitzt Kräfte, die ich nicht besitze. Aber ich verfüge über seine Erinnerungen, dadurch daß er den Logrus bewältigt hat, und ich beherrsche es am zweitbesten, in seinen Bahnen zu denken. Wenn er sich also zu einer solchen Bedrohung entwickelt hat, wie du es geschildert hast, dann könnte ich dir bestimmt von großem Nutzen sein, wenn es darum geht, seine Absichten zu erahnen.«
    »Da ist etwas dran«, pflichtete ich bei. »Es sei denn natürlich, ihr beide zieht an einem Strang.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Er würde mir nicht trauen«, sagte er, »und ich würde ihm nicht trauen. Wir kennen uns zu gut. Aufgrund einer Art Innensicht, verstehst du?«
    »Das heißt, daß keiner von euch beiden vertrauenswürdig ist.«
    Er runzelte die Stirn, dann nickte er.
    »Ja, kann schon sein«, räumte er ein.
    »Warum sollte also ich euch vertrauen?«
    »In diesem Moment: weil du mich in der Hand hast. Später: weil ich dir verdammt nützlich sein kann.«
    Nachdem wir einige Minuten lang schweigend weitergeklettert waren, sagte ich: »Was mich im Zusammenhang mit dir am meisten beunruhigt, ist der Umstand, daß Jurts Bewältigung des Logrus noch gar nicht lange zurückliegt. Du bist keineswegs eine ältere, abgemilderte Version meines am wenigsten geschätzten Verwandten. Du bist ein sehr neues Modell. Was deine Abweichung vom Original betrifft, kann ich nicht erkennen, daß diese kurze Zeitspanne einen so großen Unterschied machen sollte.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Was könnte ich noch sagen, das ich nicht bereits gesagt habe?« fragte er. »Dann laß uns einfach unter den Bedingungen der Machtverteilung und des Eigeninteresses miteinander umgehen.«
    Ich lächelte. Wir beide wußten, daß es ohnehin so und nicht anders war. Die Unterhaltung diente jedoch als Zeitvertreib.
    Während des Kletterns kam mir ein Gedanke.
    »Glaubst du, du könntest eine Schatten-Durchwandlung zuwege bringen?« fragte ich.
    »Ich weiß nicht«, antwortete er nach einigem Überlegen. »Meine letzte Erinnerung an die Zeit, bevor ich an diesen Ort kam, ist die der Vollendung des Logrus. Ich vermute, daß zu dieser Zeit auch die Aufzeichnung beendet wurde. Ich habe also keine Erinnerung daran, daß Suhuy mich im Schatten-Wandeln unterwiesen hätte, keine Erinnerung an einen derartigen Versuch. Ich glaube jedoch, daß ich es schaffen würde, was meinst du?«
    Ich hielt inne, um Luft zu holen.
    »Da ist etwas so Geheimnisvolles, daß ich mich nicht einmal zu irgendwelchen Vermutungen in der Lage fühle. Ich dachte, du wärest vielleicht mit fertigen Antworten auf derlei Fragen ausgestattet - mit einer Art von übernatürlichem Bewußtsein für deine Grenzen und Fähigkeiten.«
    »Leider nicht. Es sei denn, du bezeichnest eine Ahnung als übernatürlich.«
    »Das täte ich vielleicht, wenn du damit oft genug richtig lägst.«
    »Mist. Es ist noch zu früh, um das zu beurteilen.«
    »Mist. Da hast du recht.«
    Bald kletterten wir über die Linie des Dunstes hinaus, aus dem die Flocken zu fallen schienen. Noch ein Stück weiter, und der Wind flaute zu einer schwachen Brise ab. Und noch etwas höher verebbte auch diese vollends. Inzwischen war der Bergkamm in Sicht gekommen, und kurz darauf hatten wir ihn erreicht.
    Ich drehte mich um und blickte nach unten. Ich sah nicht mehr als ein Glitzern durch den Nebel. In die andere Richtung verlief unser Pfad in einem Zickzackkurs und wirkte stellenweise wie eine Reihe von Morsezeichen - mit gleichmäßigen Unterbrechungen, wahrscheinlich Felsformationen. Wir folgten ihm nach rechts, bis er nach links abbog.
    Ich richtete einen Teil meiner Aufmerksamkeit auf Jurt und hielt Ausschau nach Anzeichen dafür, daß er irgendwelche Merkmale des Gebietes erkannte. Ein Gespräch besteht nur aus Worten, und er war immer noch eine Version jenes Jurts, mit dem ich aufgewachsen war. Und wenn er dafür verantwortlich wäre, daß ich in irgendeine Falle tappte, dann würde ich Grayswandir seinen persönlichen Raum durchdringen lassen, sobald ich mir dessen bewußt würde.
    Ein Flackern...
    Eine Felsformation zur Linken, wie eine Höhle, als ob die Öffnung im Gestein in eine andere Wirklichkeit führte. Ein seltsam geformter Wagen fuhr eine steile Straße in einer Stadt hinauf...
    »Was...?«

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