Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx
Spitzen und Perlenstickereien bedeckt war. Aber die Hose! Sie bestand aus so viel Stoff, daß er daheim in England mühelos die riesigen Fenster meines Salons bedeckt hätte, aber er verhüllte äußerst wenig. Ich zog sie über meinen Unterrock.
»Öffne dein Haar, o meine Geliebte …« Es hatte sich schon halb gelöst. Mein Haar ist schwer und widerspenstig, und die mir zuteil gewordene, wenig fürsorgliche Behandlung war dem Schick meiner Frisur nicht unbedingt zuträglich gewesen. Ich hatte nicht die Absicht, Sethos’ unverschämter Bitte nachzukommen, insbesondere weil ich mich, solange es eben möglich war, nicht von meinen Haarnadeln trennen wollte. Man weiß nie, wann eine Haarnadel nützlich sein kann. Es war jedoch nicht einfach, meine Haarpracht ohne Kamm oder Bürste wieder in Form zu bringen, und ich kämpfte immer noch damit, als ich ein Geräusch an der Tür vernahm.
»Ach, zum Teufel«, sagte ich in einem Tonfall, der Emerson alle Ehre gemacht hätte.
Die Tür wurde geöffnet, und Sethos steckte den Kopf durch den Vorhang. Er wich zur Seite, denn der glatzköpfige Hüne trat mit einem weiteren Tablett ein, das diesmal mit Schüsseln und Tellern beladen war.
Sethos musterte mich von Kopf bis Fuß und bemerkte dann unterkühlt: »Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, Mrs. Emerson, wenn ich sage, daß die Wirkung nicht ganz so ist, wie ich es erwartet hatte. Aber nichts für ungut, das ist zumindest ein Anfang. Das ungewöhnliche Kleidungsstück, das Sie da tragen, vermittelt mir durch seine sprichwörtliche Paßformgenauigkeit wenigstens, daß Sie keine Pistole oder ein Messer verbergen.«
Nachdem er die Speisen auf dem Tisch angerichtet hatte, zog sich der Hüne zurück. Er war kaum hinter dem Vorhang verschwunden, als geräuschvolles Klopfen und Hämmern einsetzte. »Machen Sie sich nicht allzuviel Hoffnung«, sagte Sethos lächelnd. »Was Sie da hören, ist kein Befreiungstrupp, sondern mein Diener, der sich mit Schreinerarbeiten vergnügt. Ich habe ihn angewiesen, einen Riegel auf dieser Seite der Tür anzubringen, sozusagen als Zeichen meiner ehrbaren Absichten und meiner hohen Wertschätzung. Wollen Sie mir nicht danken?«
»Was, meinem Unterdrücker dafür danken, daß er mir nicht ständig nachstellt?«
Lachend schüttelte Sethos den Kopf. »Sie sind unvergleichlich, meine Liebe … Mrs. Emerson. Bitte setzen Sie sich und lassen Sie uns essen.«
Er hob einen der silbernen Deckel hoch. Der köstliche Duft von Hähnchen und Gewürzen machte mir bewußt, daß ich schrecklich hungrig war. In den nun vor mir liegenden Stunden würde ich alle meine Kräfte brauchen. Also ließ ich mich auf einem Kissen nieder und bediente mich. Den Wein lehnte ich jedoch ab.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Sethos mit einem seltsamen Lächeln. »Ich habe nicht vor, Ihren Widerstand zu brechen, indem ich Sie mit Betäubungsmitteln gefügig mache. Es kann Wochen, vielleicht sogar Monate dauern, aber letztlich werden Sie mich um meiner selbst willen lieben.«
»Monate! Sie können mich doch nicht so lange in diesem Zimmer einsperren. Ich brauche Bewegung, frische Luft …«
»Keine Angst. Das hier ist nur ein vorübergehender Aufenthaltsort. Morgen werden wir zu einem meiner Landsitze aufbrechen. Ich habe ihn speziell für Sie ausgestattet, und ich weiß, Sie werden das zu schätzen wissen. Dort gibt es Gärten mit schattenspendenden Bäumen und exotischen Pflanzen, verschlungene Pfade und kristallklare Brunnen, wo Sie nach Herzenslust herumstreifen können.«
Was für eine Neuigkeit – ich hatte ihn keinesfalls mißverstanden! Damit hätte ich sogar rechnen müssen, trotzdem warf sie einen empfindlichen Schatten auf meine Fluchtpläne. Ich wußte, daß mich Emerson früher oder später aufspüren würde, solange ich in Kairo blieb. Aber selbst für Emerson wäre es schwierig, jeden Winkel Ägyptens nach mir zu durchkämmen. Außerdem hatte Sethos mit keinem Wort erwähnt, daß wir in Ägypten bleiben würden. Sein Landsitz befand sich vielleicht irgendwo im Nahen Osten – er konnte überall auf der Welt sein!
Je länger ich unsere Abreise hinauszögern konnte, um so besser war es für mich, aber ich hatte keine Ahnung, wie mir das gelingen sollte. Eine Krankheit zu simulieren würde Sethos nicht täuschen können. Eine plötzlich überwältigende Zuneigung wäre noch weniger überzeugend, vorausgesetzt, es gelänge mir überhaupt, ihm Gefühle vorzugaukeln. Allerdings konnte es nicht schaden,
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