Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx
bewußtlos schlügen, könnten Sie das Haus nicht verlassen.«
»Ich könnte es zumindest versuchen«, konterte ich und wirbelte weiterhin meinen Gürtel durch die Luft, dessen pfeifendes Surren an die Geräusche angriffslustiger Insekten erinnerte.
»Sie könnten es versuchen. Aber es würde Ihnen nicht gelingen. Und wenn meine Männer glaubten, Sie hätten mich getötet oder ernsthaft verletzt, könnten sie Ihnen etwas antun. Werden Sie einsichtiger sein, wenn ich Ihnen hoch und heilig verspreche, Sie nicht mehr anzurühren und mich Ihnen nicht mehr zu nähern, bis Sie mich selbst darum bitten?«
»Das wird niemals passieren«, versicherte ich ihm.
»Wer weiß? Das Leben ist voller Überraschungen. Das macht es ja überhaupt erst erträglich. Wenn Sie mein Wort nicht akzeptieren, betrachten Sie die Sache einmal unter folgendem Aspekt: Sie kennen mich als – nun, ich möchte nicht sagen >überheblich<. Nennen wir es einmal so: als einen Menschen, der von sich überzeugt ist. Erscheint es Ihnen da nicht wahrscheinlicher, daß es mir beispielsweise Vergnügen bereitete, Ihre Zuneigung zu gewinnen – Haß in Liebe und Verachtung in Bewunderung zu verwandeln –, statt zu brutaler Gewalt zu greifen? Ich verachte Brutalität. Und«, fuhr er mit einem weiteren Lächeln fort, »ich bin sicher, daß Ihr Arm langsam ermüdet.«
»Keineswegs«, behauptete ich eigensinnig. »Ich könnte den ganzen Nachmittag so weitermachen. Allerdings hat Ihre Argumentation auch ihr Gutes.« Mehr sagte ich nicht zu diesem Thema, und ich muß gestehen, er war höflich genug, mit einem flüchtigen Blick über die Sache hinwegzugehen – die Tatsache, daß meine um ihren korrekten Sitz gebrachte Hose mittlerweile den unabänderlichen Gesetzen der Schwerkraft unterlag.
»Nun gut«, sagte ich. »Es erscheint mir unvermeidlich, Mr. Sethos. Ich akzeptiere Ihr Wort, weise jedoch darauf hin, daß ich im Gegenzug keinerlei Versprechungen mache.«
Ich hatte seinen Namen noch kein einziges Mal erwähnt. Als er ihn jetzt hörte, zog er schmunzelnd seine Brauen hoch. »Also haben Sie mein Lieblingspseudonym aufgedeckt! Lassen Sie nur die Anrede weg, ich bitte, Sie. Das klingt irgendwie absurd und zerstört die vertrauliche Atmosphäre, die ich mir zwischen uns so sehr wünsche.«
»Nein, danke«, entgegnete ich. »Ich lege Wert auf die größtmögliche Förmlichkeit, welche die ungewöhnlichen Umstände derzeit zwischen uns zulassen.«
»Aber, wie stellen Sie sich denn das vor«, rief er halb scherzhaft, halb verärgert. »Wie kann ich Sie denn mit sanften Worten und zärtlichen Schwüren umwerben, wenn ich Sie mit Mrs. Emerson anreden muß?«
»Ich glaube, daß ein solch kleines Problem lediglich eine weitere Herausforderung für Sie darstellen wird.«
Er streckte seine Hand aus. Schulterzuckend händigte ich ihm den Gürtel aus.
»Danke, Mrs. Emerson«, sagte er würdevoll. »Und jetzt muß ich Sie darum bitten, die Kleidungsstücke überzustreifen, die ich für Sie bereitgelegt habe.«
»Wie können Sie es wagen, Sir!«
»Als einfache Methode des Selbstschutzes, Mrs. Emerson. Der Himmel weiß, welche weiteren harten oder spitzen Gegenstände Sie noch an Ihrem Körper verborgen tragen. In dieser Hose ist Platz genug für ein ganzes Sortiment an Krummsäbeln.« Meinen fassungslosen Gesichtsausdruck richtig deutend, fügte er hinzu: »Abgesehen davon, daß man das Werkzeugsortiment von Ihrem Gürtel sowie Ihre Stiefel entfernt hat, haben weder ich noch meine Gehilfen Sie durchsucht. Es war ein Zeichen besonderen Respekts, den ich für Sie empfinde, aber wenn Sie mich zwingen …«
»Ihre Argumente sind erneut überzeugend, mein Herr. Ich vertraue darauf, daß Sie mir ebenfalls die Höflichkeit erweisen werden, mich allein zu lassen, während ich Ihre Anweisungen befolge!«
»Selbstverständlich. Klopfen Sie an die Tür, wenn Sie fertig sind. Aber versuchen Sie nicht, meine Geduld überzustrapazieren.« Dann fügte er in einer Sprache hinzu, die ich unschwer als Französisch erkannte, auch wenn er sich schleppend und seltsam betont ausdrückte: »Öffne dein Haar, o meine Geliebte, auf daß sein betörender Duft das einzige Hindernis zwischen deiner und meiner Leidenschaft sein möge.«
Ich glaube, es gelang mir, meine Überraschung über diese überaus persönliche Beichte zu verbergen, denn ich hielt es für besser, so zu tun, als hätte ich ihn nicht verstanden. Und doch durchströmte ein merkwürdiges Gefühl meinen Körper – eine
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