Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
Kilometern entfernt. Diskretion war also nicht erforderlich.
Ich werde meine Antwort nicht wiedergeben, Emerson jedenfalls regte sie zu herzhaftem Lachen an. Er hob mich von meinem Sessel auf sein Knie, und aus meinem Augenwinkel bemerkte ich die wehenden Rockschöße Mahmuds, der sich taktvoll mit einer Kanne Kaffee zurückzog, die er uns eigentlich hatte servieren wollen. In diesem Augenblick begriff ich in vollem Umfang, wie wichtig es für eine liebende Mutter ist zu akzeptieren, wenn ihre Kinder flügge werden. Das war sicherlich ein herber Schlag, aber ich glaubte, ihn ertragen zu können.
Trotzdem war ich froh, sie wiederzusehen, als wir nach einigen Wochen wieder in Luxor eintrafen. Alle drei erklärten, wir sähen gesund und erholt aus. Ich gab das Kompliment zurück, auch wenn ich von Ramses’ Äußerem insgeheim nicht sonderlich angetan war. Ein gewisser Ausdruck in seinen Augen gefiel mir nicht. Zu diesem Zeitpunkt sagte ich nichts, doch am Tag vor unserer Abreise aus Luxor nahm ich ihn beiseite.
»Ich muß noch einen letzten Besuch abstatten, Ramses. Kommst du mit? Nur du und nicht die anderen.«
Selbstverständlich begleitete er mich. Ich denke, er vermutete, was ich vorhatte.
Der Friedhof war menschenleer. Er war kein erfreulicher Anblick, der Wind blies unablässig feinen Sandstaub über den nackten Erdboden, und weit und breit war keine einzige Blume zu sehen. Auch ich hatte keine Blumen mitgebracht, dafür aber eine kleine Schaufel.
Nacheinander legte ich sie in das von mir gegrabene Loch – die kleinen Figuren von Isis mit ihrem Kind Horus, von Anubis, der die Toten in die Balsamierungshalle führt, von Hathor und Ptah und den anderen. Schließlich nahm ich die Kette von meinem Hals und entfernte das Amulett mit dem Pavian, dem Affen, der die göttliche Waagschale bewacht. Nachdem ich es zu den anderen gelegt hatte, reichte ich Ramses die Schaufel. Er schaufelte das kleine Loch zu und glättete den Sand. Keiner von uns beiden hatte gesprochen. Wir schwiegen auch jetzt. Schweigend half er mir auf und hielt meine Hand einen Augenblick länger umklammert als üblich, dann drehte er sich um. Ich hoffte, daß ihm das helfen würde. Ich hatte gewußt, daß er das verstand.
Es kann nicht schaden, sich gegen das zu schützen, was nicht wahr ist; doch wer kann sagen, welche ewigen Wahrheiten in den Geheimnissen des alten Glaubens verborgen sind?
»Ich bin das Gestern, das Heute und das Morgen, denn ich werde wiedergeboren. Ich bin Er, der da kommt und uns erscheinen wird; und immerwährend ist das Licht, das Sein Wille geschaffen hat.«
Ende
(1) Der werte Leser empfindet das Fehlen dieser Einzelheiten vielleicht als nicht bedauerlich, dennoch zweifelt die Herausgeberin nicht daran, daß sie von beträchtlichem Interesse für Ägyptologen wären, da sie von Beteiligten stammten, die die geheimnisvolle Grabkammer in ihrem ursprünglichen Zustand gesehen hatten und über die berufliche Erfahrung verfügten, die von ihnen wahrgenommenen Eindrücke zu interpretieren. Leider ist die von Mrs. Emerson erwähnte Aufzeichnung bislang nicht aufgetaucht.
(2) In Manuskript H befindet sich kein Hinweis auf einen solchen Besuch. Die Herausgeberin suchte viele Stunden lang vergeblich danach.
Anhang 2: Zeitleiste des Alten Ägypten
Ära
Zeitraum
Vorgeschichte:
vor 4000 v. Chr.
Prädynastische Zeit:
ca. 4000–3032 v. Chr.
Frühdynastische Zeit:
ca. 3032–2707 v. Chr.
1. bis 2. Dynastie
Altes Reich:
ca. 2707–2216 v. Chr.
3. bis 6. Dynastie
Erste Zwischenzeit:
ca. 2216–2137 v. Chr.
7. bis 11. Dynastie
Mittleres Reich:
ca. 2137–1781 v. Chr.
11. bis 12. Dynastie
Zweite Zwischenzeit:
ca. 1648–1550 v. Chr.
13. bis 17. Dynastie
Neues Reich:
ca. 1550–1070 v. Chr.
18. bis 20. Dynastie
Dritte Zwischenzeit:
ca. 1070–664 v. Chr.
21. bis 25. Dynastie
Spätzeit:
ca. 664–332 v. Chr.
26. bis 31. Dynastie
Griechisch-römische Zeit:
332 v. Chr. bis 395 n. Chr.
Anhang 3: Das Tal der Könige und seine Gräber
Im Tal der Könige sind insbesondere die Gräber der Herrscher des Neuen Reichs (ca. 1550 v. Chr. bis 1069 v. Chr., 18. bis 20. Dynastie) zu finden. Das Tal befindet sich in Theben-West, gegenüber von Karnak, am Rand der Wüste und ist gesäumt von hohen Bergen.
Im Jahre 1898 wurde erstmals mit professionellen Ausgrabungen begonnen, bis heute sind über 60 Gräber entdeckt und erforscht worden.
Etwas Abseits liegt das weniger bekannte Tal der Königinnen. In diesem Tal befinden sich über 90 Gräber,
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