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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sagte: »Du hast einen Schlaf, Roßmann! Das ist die sorglose Jugend. Wie lange willst du denn noch schlafen? Ich hätte dich ja noch schlafen lassen, aber erstens ist es mir da auf dem Boden zu langweilig und zweitens habe ich einen großen Hunger. Ich bitte dich, steh ein wenig auf, ich habe da unten, im Sessel drin, etwas zum Essen aufgehoben, ich möchte es gern herausziehen.
    Du bekommst dann auch etwas.« Und Karl, der aufstand, sah nun zu, wie Robinson, ohne aufzustehen, sich auf dem Bauch herüberwälzte und mit ausgestreckten Händen unter dem Sessel eine versilberte Schale hervorzog, wie sie etwa zum
    Aufbewahren von Visitenkarten dient. Auf dieser Schale lag aber eine halbe, ganz schwarze Wurst, einige dünne Zigaretten, eine geöffnete, aber noch gut gefüllte und von Öl überfließende Sardinenbüchse und eine Menge meist zerdrückter und zu einem Ballen gewordener Bonbons. Dann erschien noch ein großes
    Stück Brot und eine Art Parfümflasche, die aber etwas anderes als Parfüm zu enthalten schien, denn Robinson zeigte mit
    besonderer Genugtuung auf sie und schnalzte zu Karl hinauf.
    »Siehst du, Roßmann«, sagte Robinson, während er Sardine
    nach Sardine hinunterschlang und hie und da die Hände vom Öl an einem Wolltuch reinigte, das offenbar Brunelda auf dem Balkon vergessen hatte. »Siehst du, Roßmann, so muß man sich sein Essen aufheben, wenn man nicht verhungern will. Du, ich bin ganz beiseite geschoben. Und wenn man immerfort als Hund behandelt wird denkt man schließlich, man ist's wirklich. Gut daß du da bist, Roßmann, ich kann wenigstens mit jemandem reden.
    Im Hause spricht ja niemand mit mir. Wir sind verhaßt. Und alles wegen der Brunelda. Sie ist ja natürlich ein prächtiges Weib. Du-
    « und er winkte Karl zu sich herab, um ihm zuzuflüstern, – »ich habe sie einmal nackt gesehen. O!« Und in der Erinnerung an diese Freude fing er an, Karls Beine zu drücken und zu schlagen, bis Karl ausrief: »Robinson, du bist ja verrückt«, seine Hände packte und zurückstieß.
    »Du bist eben noch ein Kind, Roßmann«, sagte Robinson, zog einen Dolch, den er an einer Halsschnur trug, unter dem Hemd hervor, nahm die Dolchkappe ab und zerschnitt die harte Wurst.
    »Du mußt noch viel zulernen. Bist aber bei uns an der richtigen Quelle. Setz dich doch. Willst du nicht auch etwas essen? Nun, vielleicht bekommst du Appetit, wenn du mir zuschaust. Trinken willst du auch nicht, Du willst aber rein gar nichts. Und gesprächig bist du gerade auch nicht besonders. Aber es ist ganz gleichgültig, mit wem man auf dem Balkon ist, wenn nur
    überhaupt jemand da ist. Ich bin nämlich sehr oft auf dem Balkon. Das macht der Brunelda solchen Spaß. Es muß ihr nur etwas einfallen, einmal ist es ihr kalt, einmal heiß, einmal will sie schlafen, einmal will sie sich kämmen, einmal will sie das Mieder öffnen, einmal will sie es anziehen, und da werde ich immer auf den Balkon geschickt. Manchmal tut sie wirklich das, was sie sagt, aber meistens liegt sie nur so wie früher auf dem Kanapee und rührt sich nicht. Früher habe ich öfters den Vorhang so ein wenig weggezogen und durchgeschaut, aber seit einmal
    Delamarche bei einer solchen Gelegenheit – ich weiß genau, daß er es nicht wollte, sondern es nur auf Bruneldas Bitte tat – mir mit der Peitsche einige Male ins Gesicht geschlagen hat – siehst du die Striemen? –, wage ich nicht mehr, durchzuschauen. Und so liege ich dann hier auf dem Balkon und habe kein Vergnügen außer essen. Vorgestern, wie ich des Abends so allein gelegen bin, damals war ich noch in meinen eleganten Kleidern, die ich leider in deinem Hotel verloren habe – diese Hunde; reißen einem die teueren Kleider vom Leib! – wie ich also da so allein gelegen bin und durch das Geländer hinuntergeschaut habe, war mir alles so traurig und ich habe zu heulen angefangen. Da ist zufällig, ohne daß ich es gleich bemerkt habe, die Brunelda zu mir herausgekommen in dem roten Kleid – das paßt ihr doch von allen am besten –, hat mir ein wenig zugeschaut und hat endlich gesagt: ›Robinson warum weinst du?‹ Dann hat sie ihr Kleid gehoben und hat mir mit dem Saum die Augen abgewischt. Wer weiß, was sie noch getan hätte, wenn nicht Delamarche nach ihr gerufen hätte und sie nicht sofort wieder ins Zimmer hätte hineingehen müssen. Natürlich habe ich gedacht, jetzt sei die Reihe an mir, und habe durch den Vorhang gefragt, ob ich schon ins Zimmer darf. Und was meinst du, hat die

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