Amerika
Ihnen nicht mit einer Mütze aushelfen?« sagte Herr Green und zog eine Mütze aus der Tasche.
»Vielleicht paßt sie Ihnen zufällig.« Verblüfft blieb Karl stehen und sagte: »Ich werde Ihnen doch nicht Ihre Mütze wegnehmen. Ich kann ja ganz gut mit unbedecktem Kopf gehen. Ich brauche gar nichts«
»Es ist nicht meine Mütze. Nehmen Sie nur!«
»Dann danke ich«, sagte Karl, um sich nicht aufzuhalten, und nahm die Mütze. Er zog sie an und lachte zuerst, da sie ganz genau paßte, nahm sie wieder in die Hand und betrachtete sie, konnte aber das Besondere, das er an ihr suchte, nicht finden; es war eine vollkommen neue Mütze. »Sie paßt so gut!« sagte er.
»Also, sie paßt!« rief Herr Green und schlug auf den Tisch.
Karl ging schon zur Türe zu, um den Diener zu holen, da erhob sich Herr Green, streckte sich nach dem reichlichen Mahl und der vielen Ruhe, klopfte stark gegen seine Brust und sagte in einem Ton zwischen Rat und Befehl: »Ehe Sie weggehen, müssen Sie von Fräulein Klara Abschied nehmen.«
»Das müssen Sie«, sagte auch Herr Pollunder, der ebenfalls aufgestanden war. Ihm hörte man es an, daß die Worte nicht aus seinem Herzen kamen, schwach ließ er die Hände an die Hosennaht schlagen und knöpfte immer wieder seinen Rock auf und zu, der nach der augenblicklichen Mode ganz kurz war und kaum zu den Hüften ging, was so dicke Leute wie Herrn Pollunder schlecht kleidete. Übrigens hatte man, wenn er so neben Herrn Green stand, den deutlichen Eindruck, daß es bei Herrn Pollunder keine gesunde Dicke war; der Rücken war in seiner ganzen Masse etwas gekrümmt, der Bauch sah weich und unhaltbar aus, eine wahre Last, und das Gesicht erschien bleich und geplagt. Dagegen stand hier Herr Green, vielleicht noch etwas dicker als Herr Pollunder, aber es war eine zusammenhängende, sich gegenseitig tragende Dicke, die Füße waren soldatisch zusammengeklappt, den Kopf trug er aufrecht und schaukelnd; er schien ein großer Turner, ein Vorturner, zu sein.
»Gehen Sie also vorerst«, fuhr Herr Green fort, »zu Fräulein Klara. Das dürfte Ihnen sicher Vergnügen machen und paßt auch sehr gut in meine Zeiteinteilung hinein. Ich habe Ihnen nämlich tatsächlich, ehe Sie von hier fortgehen, etwas Interessantes zu sagen, was wahrscheinlich auch für Ihre Rückkehr entscheidend sein kann. Nur bin ich leider durch höheren Befehl gebunden, Ihnen vor Mitternacht nichts zu verraten. Sie können sich vorstellen, daß mir das selbst leid tut, denn es stört meine Nachtruhe, aber ich halte mich an meinen Auftrag. Jetzt ist es viertel zwölf, ich kann also meine Geschäfte noch mit Herrn Pollunder zu Ende besprechen, wobei Ihre Gegenwart nur stören würde, und Sie können ein hübsches Weilchen mit Fräulein Klara verbringen. Punkt zwölf stellen Sie sich dann hier ein, wo Sie das Nötige erfahren werden.«
Konnte Karl diese Forderung ablehnen, die von ihm wirklich nur das Geringste an Höflichkeit und Dankbarkeit gegenüber Herrn Pollunder verlangte und die überdies ein sonst unbeteiligter, roher Mann stellte, während Herr Pollunder, den es anging, sich mit Worten und Blicken möglichst zurückhielt?. Und was war jenes Interessante, das er erst um Mitternacht erfahren durfte? Wenn es seine Heimkehr nicht wenigstens um die dreiviertel Stunde beschleunigte, um die sie jetzt verschob, interessierte es ihn wenig. Aber sein größter Zweifel, ob er überhaupt zu Klara gehen konnte, die doch seine Feindin war. Wenn er wenigstens das Schlageisen bei sich gehabt hätte, das ihm der Onkel als Briefbeschwerer geschenkt hatte! Das Zimmer Klaras mochte ja eine recht gefährliche Höhle sein. Aber nun war es ja ganz und gar unmöglich, hier gegen Klara das Geringste zu sagen, da sie Pollunders Tochter und, wie er jetzt gehört hatte, gar Macks Braut war. Sie hätte ja nur um eine Kleinigkeit anders sich zu ihm verhalten müssen, und er hätte sie wegen ihrer Beziehungen offen bewundert. Noch überlegte er das alles, aber schon merkte er, daß man keine Überlegungen von ihm verlangte, denn Green öffnete die Tür und sagte dem Diener, der vom Postamente sprang: »Führen Sie diesen jungen Mann zu Fräulein Klara«.
›So führt man Befehle aus‹, dachte Karl, als ihn der Diener, fast laufend, stöhnend vor Altersschwäche, auf einem besonders kurzen Weg zu Klaras Zimmer zog. Als Karl an seinem Zimmer vorüberkam, dessen Tür noch immer offen stand, wollte er, vielleicht zu seiner Beruhigung, für einen Augenblick
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