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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Karnick
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Vorwort
    Das Gebaren frischgebackener Eltern ist für viele Kinderlose nur mit Geduld und gutem Willen zu ertragen. Ähnlich ergeht es Mietern mit frischgebackenen Immobilienbesitzern.
    Dass Immobilienerwerb und Elternschaft miteinander ver wandte Themen sind, erkennt man daran, dass der Immobilien erwerb meist eine Folge der Elternschaft ist. Der Nestbautrieb, mit Beginn der Schwangerschaft erwacht, ebbt mit dem Größerwerden des Kindes nicht etwa ab, sondern entfaltet im Gegenteil erst allmählich seine volle Wirkung: Bald reicht es ihm nicht mehr, den Umbau des Arbeitszimmers in ein pastellfarbenes Kinderparadies veranlasst zu haben. Der Nestbautrieb will mehr und verbündet sich, um es zu bekommen, mit der Vernunft: »Schon ärgerlich, wie viel Miete man im Laufe der Jahre aus dem Fenster wirft!« Dieser Satz, ausgesprochen von einer Mutter, bedeutet das Gleiche wie die Bemerkung »Schon ganz süß, so ein Baby!« aus dem Munde einer liierten 34-jährigen Kinderlosen: Nicht mehr lange, und sie ist fällig.
    Beide Gruppen umgibt eine Aura feierlichen Erschrockenseins über den eigenen Mut. Darum werden die Nachrichten »Wir bekommen ein Baby!« und »Wir haben etwas gefunden!« in einem sich stark ähnelnden Tonfall verkündet. In beiden Fällen bleibt die Stimme am Ende des Satzes in der Luft hängen, wo sich das vorfreudige Ausrufezeichen zu einem angespannten Fragezeichen krümmt: »Und? Was haltet ihr davon?« – »Großartig! Herzlichen Glückwunsch!«, ruft man und ermahnt sich, das unausweichlich Kommende in freundschaftlicher Gelassenheit über sich ergehen zu lassen.
    Frischgebackene Eltern reden über Schlafentzug, Hebam men und Stillprobleme; frischgebackene Immobilienbesitzer über Hypothekenzinsen, Armaturen und Handwerker. Die einen beklagen schlecht verheilte Dammschnitte, die anderen falsch verlegte Steckdosen. Den einen muss man während der Schwangerschaft bei der Namenswahl beistehen, den anderen während des An-, Um-, Neubaus bei der Wahl des Parketts. Was den einen der Baby-, ist den anderen der Baumarkt. Die einen sagen: »Ich weiß nicht, ob ich wirklich ins St. Elisabeth gehen soll. Da liegt die Kaiserschnittquote 0,2 Prozent über dem Durchschnitt!« Die anderen grübeln: »Aber wenn wir die grasgrünen Fliesen nehmen, passen die Gästehandtücher farblich nicht mehr. Was denkst du?« Man denkt eigentlich immer das Gleiche: Gähn.
    Am Ende führen die einen einen Säugling vor, die anderen eine Einbauküche. Das eine wie das andere muss man nachdrücklich loben, wenn man es sich mit den Frischgebackenen nicht verderben will.
    Wenn man frischgebackene Immobilienbesitzer besucht und dort auf ebenfalls eingeladene frischgebackene Eltern trifft, muss man sich konzentrieren, damit man nicht durcheinanderkommt beim vielen Loben. Es macht keinen guten Eindruck, wenn man beim Anblick der Einbauküche ruft: »Reizend, das ist ja ganz deine Mutter!«, und zu den Eltern von Lilli, Martha oder Johanna sagt: »Mensch, die hat Peter aber nicht selbst eingebaut, oder?« So etwas finden weder frischgebackene Eltern noch frischgebackene Immobilienbesitzer lustig.
    Ich kann das verstehen: Kleine Kinder, große Kredite und hässliche Badezimmerfliesen hat man mindestens zwei Jahrzehnte an den Hacken. Über so etwas macht man keine Witze.

    Brigitte 26/2006
    Diesen Text hat vor einigen Jahren jemand geschrieben, den ich sehr gut kenne. Ich selbst war es.
    Wenn ich ihn heute lese, schäme ich mich ein bisschen. Mehrere Jahre nach Veröffentlichung dieser Kolumne steht fest: Ich bin doch wie alle anderen. Ich habe nur etwas länger dazu gebraucht. Ich bin eine frischgebackene Immobilienbesitzerin: Es ist ein weiß verputztes Flachdachhaus, neun Meter breit, vierzehn Meter lang, zweihundertundvier Quadratmeter groß. Es war eine schwere Geburt. Aber jetzt, wo es auf der Welt ist, ist aller Schmerz vergessen. Na ja. Fast.

Teil 1

Der erwachende Hauswunsch
    Kaufen oder mieten? Vielen Menschen stellt sich diese Frage nie. Den einen nicht, weil sie wissen, dass sie niemals genug Geld haben werden, um sich den Traum vom Wohneigentum zu erfüllen. Den anderen nicht, weil für sie seit jeher feststeht, dass sie eines Tages Immobilienbesitzer sein werden.
    Entweder haben sie Eltern, die so reich sind, dass sie schon als Studenten keine Miete zahlen müssen, weil Papa ihnen zum Zwanzigsten eine Zweizimmerwohnung im Univiertel schenkt. Oder sie leben, meist in ländlicher Gegend – ausgestattet mit einem seit

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