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Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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nicht, obwohl du doch schon ein Weilchen bei uns bist. Du hast ja gesehen, wie ich in der Nacht bei euch im Hotel angezogen war. Das Feinste vom Feinen hatte ich an. Gehen Diener so angezogen? Nur ist eben die Sache die, daß ich nicht oft weggehen darf, ich muß immer bei der Hand sein, in der Wirtschaft ist eben immer etwas zu tun. Eine Person ist eben zu wenig für die viele Arbeit. Wie du vielleicht bemerkt hast, haben wir sehr viele Sachen im Zimmer herumstehen; was wir eben bei dem großen Auszug nicht verkaufen konnten, haben wir mitgenommen. Natürlich hätte man es wegschenken können, aber Brunelda schenkt nichts weg. Denk dir nur, welche Arbeit es gegeben hat, diese Sachen die Treppe heraufzutragen.« »Robinson, du hast das alles heraufgetragen?« rief Karl.
    »Wer denn sonst?« sagte Robinson. »Es war noch ein Hilfsarbeiter da, ein faules Luder; ich habe die meiste Arbeit allein machen müssen. Brunelda ist unten beim Wagen gestanden, Delamarche hat oben angeordnet, wohin die Sachen zu legen sind, und ich bin immerfort hin und her gelaufen. Es hat zwei Tage gedauert, sehr lange, nicht wahr? Aber du weißt ja gar nicht, wieviel Sachen hier im Zimmer sind, alle Kasten sind voll und hinter den Kasten ist alles vollgestopft bis zur Decke hinauf. Wenn man ein paar Leute für den Transport aufgenommen hätte; wäre ja alles bald fertig gewesen, aber Brunelda wollte es niemandem außer mir anvertrauen. Das war ja sehr schön, aber ich habe damals meine Gesundheit für mein ganzes Leben verdorben, und was habe ich denn sonst gehabt als meine Gesundheit? Wenn ich mich nur ein wenig anstrenge, sticht es mich hier und hier und hier. Glaubst du, diese Jungen im Hotel, diese Grasfrösche – was sind sie denn sonst? – hätten mich jemals besiegen können, wenn ich gesund wäre? Aber was mir auch fehlen sollte, dem Delamarche und der Brunelda sage ich kein Wort, ich werde arbeiten, solange es gehen wird, und wenn es nicht mehr gehen wird, werde ich mich hinlegen und sterben, und dann erst, zu spät, werden sie sehen, daß ich krank gewesen bin und trotzdem immerfort und immerfort weitergearbeitet und mich in ihren Diensten zu Tode gearbeitet habe. Ach Roßmann-«, sagte er schließlich und trocknete die Augen an Karls Hemdärmel. Nach einem Weilchen sagte er: »Ist dir denn nicht kalt, du stehst da so im Hemd?«
    »Geh, Robinson«, sagte Karl, »immerfort weinst du. Ich glaube nicht, daß du so krank bist. Du siehst ganz gesund aus, aber weil du immerfort da auf dem Balkon liegst, hast du dir so Verschiedenes ausgedacht. Du hast vielleicht manchmal einen Stich in der Brust, das habe ich auch, das hat jeder. Wenn alle Menschen wegen jeder Kleinigkeit so weinen wollten wie du, müßten die Leute auf allen Balkonen weinen.«
    »Ich weiß es besser«, sagte Robinson und wischte nun die Augen mit dem Zipfel seiner Decke. »Der Student, der nebenan bei der Vermieterin wohnt, die auch für uns kochte, hat mir letzthin, als ich das Eßgeschirr zurückbrachte, gesagt: ›Hören Sie einmal, Robinson, sind Sie nicht krank?‹ Mir ist verboten, mit den Leuten zu reden, und so habe ich nur das Geschirr hingelegt und wollte weggehen. Da ist er zu mir gegangen und hat gesagt: ›Hören Sie, Mann, treiben Sie die Sache nicht zum Äußersten, Sie sind krank.‹ ›Ja also, ich bitte, was soll ich denn machen?‹ habe ich gefragt. ›Das ist Ihre Sache‹, hat er gesagt und hat sich umgedreht. Die anderen dort bei Tisch haben gelacht, wir haben ja hier überall Feinde, und so bin ich lieber weggegangen.«
    »Also Leuten, die dich zum Narren halten, glaubst du, und Leuten, die es gut mit dir meinen, glaubst du nicht.«
    »Aber ich muß doch wissen, wie mir ist«, fuhr Robinson auf, kehrte aber gleich wieder zum Weinen zurück.
    »Du weißt eben nicht, was dir fehlt, du solltest irgendeine ordentliche Arbeit für dich suchen, statt hier Delamarches Diener zu machen. Denn soweit ich nach deinen Erzählungen und nach dem, was ich selbst gesehen habe, urteilen kann, ist das hier kein Dienst, sondern eine Sklaverei. Das kann kein Mensch ertragen, das glaube ich dir. Du aber denkst, weil du Delamarches Freund bist, darfst du ihn nicht verlassen. Das ist falsch; wenn er nicht einsieht, was für ein elendes Leben du führst, so hast du ihm gegenüber nicht die geringsten Verpflichtungen mehr.«
    »Du glaubst also wirklich, Roßmann, daß ich mich wieder erholen werde, wenn ich das Dienen hier aufgebe?«
    »Gewiß«, sagte Karl.
    »Gewiß?«

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