Gentec X 01 - Das Ende der Menschheit
Ich arbeitete nun schon ein Jahr von meinem 24jährigen Leben für den Gentec Konzern und war meinem Ziel noch keinen Schritt näher gekommen. Der Hype blieb mir nach wie vor verschlossen, ich hätte nicht einmal bestätigen können, dass es ihn gab.
Vielleicht existierte er nur in der Fantasie einiger Eierköpfe, die unbedingt das Budget der CIA aufstocken und ihre Wichtigkeit dokumentieren wollten. Bei den geheimen Treffen mit meiner Kontaktperson hörte ich immer wieder geheimnisvolle Stories. Aber keiner wusste etwas Genaues, und ich konnte mir denken, was in Langley auf der Farm, wie die CIA-Zentrale im Insider-Jargon genannt wurde, los war.
Den CIA-Direktor hatte ich nie persönlich gesehen, schließlich war ich nur eine kleine Agentin, dazu noch, wie man mir oft genug sagte, eine blutige Anfängerin. Da fragte ich mich nur, weshalb sie gerade mir den Top-Job gegeben hatten, Gentec X aufzustöbern, und was mir dazu einfiel, war nicht beruhigend.
Das Erste war, dass es sich bei meinem Einsatz um ein Ablenkungsmanöver handelte. Das würde bedeuten, dass die Agency bereit war, mich zu opfern. Die Gegenseite, die sich auf mich konzentrierte, würde die wirklichen Profis übersehen, die den richtigen Job machten.
Das erschien mir jedoch nicht sehr wahrscheinlich.
Viel wahrscheinlicher war – streng deinen Kopf an, Sniper – dass man fest damit rechnete, dass die Gegenseite niemals auch nur im Entferntesten daran denken würde, dass eine Anfängerin wie ich ein so wichtiges Projekt betreute. Und als Superspionin eingesetzt wurde, blutjung, als eine kleine Labormaus getarnt, ohne besondere Eigenschaften – wenn man von meiner Optik mal absieht, wie es Nick Carson nannte.
Meiner Schönheit, den blonden Haaren, blauen Augen, den rasanten Kurven, die Männer zum Träumen brachten – oder dazu, die Augen zu verdrehen oder mir hinterherzupfeifen.
Oder, was weniger angenehm war und mich erheblich störte, mich in einem überfüllten Aufzug zu begrabschen oder mir in den Hintern zu kneifen, was manche witzig fanden.
»Eine Huldigung an die weibliche Schönheit«, hatte ein langlockiger Hispano im Loop es genannt, dem Stadtkern von Chicago, wo ich lebte und arbeitete.
In einem Mini-Apartment in der Marina City, zu klein, um eine Katze am Schwanz herumzuschleudern – obwohl ich nie so grausam gewesen wäre, mit meiner Hauskatze Miou so zu verfahren.
Miou war meine Lebensgefährtin, seit ich mich von Nick Carson getrennt hatte, was mich immer noch schmerzte, obwohl es viele Monate her war. Noch immer erinnerte ich mich an seine samtschwarze Haut, seine coole Art, seine Muskeln, seinen speziellen Geruch, sein Lachen und seine samtene Stimme, wenn er nach einem heißen Sexakt »Whow!« und »Oh, Baby!« sagte.
Manchmal, wenn ich morgens erwachte, hatte ich geträumt und dachte, er würde neben mir liegen. Aber da war niemand mehr.
Ich will der Reihe nach fortfahren. Ich, Nita Snipe, genannt Sniper, Specialagent der CIA – Assistant Specialagent, um genau zu sein. Um noch genauer zu sein, war ich noch ein Dummy, wie es bei der CIA hieß – den Begriff braucht wohl keiner zu erläutern.
Früher mal hatte man so was freundlicher ein Greenhorn genannt.
Mein Spitzname war seit der Grundschule immer Sniper gewesen – Scharfschütze –, was bei dem Nachnamen Snipe niemand wunderte. Mein Dad, ein Collegeprofessor, behauptete heute noch, meinen gefährlichen Job hätte ich wegen dem Nachnamen und Spitznamen gewählt. Von jemand, der Sniper genannt wurde, erwartete man einfach nicht, dass er zum Beispiel Kinderarzt oder Kinderärztin oder Bibliothekar wurde.
»Nomen est omen«, zitierte mein Dad manchmal von seinen Lateinkenntnissen. Der Name ist Vorzeichen.
Die Miete für mein Apartment in der Marina City war horrend. Dafür hatte ich manchmal Kakerlaken als Gesellschaft in der Küche, die durch das Lüftungssystem kamen und die nicht auszurotten waren. Obwohl regelmäßig der Kammerjäger erschien, ein netter junger Mann, der mich anbaggern wollte.
Ich hatte ihn sogar schon verdächtigt, mir die Biester absichtlich ins Apartment zu schmuggeln – im 38. Stock eines Hochhauses in der City – um mich öfter aufsuchen zu können. Mein Verehrer war aber harmlos.
Den vorhin erwähnten Latino, einen selbsternannten Dichter, hatte ich mit einer Warnung davonkommen lassen. Doch neulich im Aufzug, als ich in der City Hall wegen Erneuerung meines Ausweises zu einer Behörde musste, war es weniger glimpflich abgegangen.
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