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Amnion 1: Die wahre Geschichte

Amnion 1: Die wahre Geschichte

Titel: Amnion 1: Die wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erfundene Zielangabe ein und bekam die offizielle Starterlaubnis. Weil er danach noch immer ein schlechtes Gefühl hatte, folgte er genau der für den Abflug zugeteilten Trajektorie. Indem er unterwegs fortgesetzt wie ein Rabauke vor sich hinschimpfte, entfernte er sich auf einer Flugroute von der KombiMontan-Station, die möglichst wenig Aufmerksamkeit erregte. Und er riskierte es nicht, zu beschleunigen und Kurs auf den Asteroidengürtel zu nehmen, bis er sich vollkommen allein mindestens fünfzigtausend Kilometer außerhalb der Reichweite jedes gängigen Scanners der Station oder ihrer Nachbarschaft aufhielt.
    Er hoffte, der Asteroidengürtel wäre weit genug entfernt, um ihm als Versteck zu dienen. Man hatte die Station in beachtlichem Abstand gebaut, um Beeinträchtigungen durch die Meteorschauer und anderen Schutt zu vermeiden, die Asteroidengürtel, die Überbleibsel von durch Zeit und Schwerkraft zu Trümmern zerbröckelten Planeten, unweigerlich durch den Raum begleiteten.
    Zu dem Zeitpunkt, als er den Kurs wechselte, hatte die Strapaze, die es bedeutete, das Raumschiff als einzelner zu fliegen, allmählich zur Folge, daß ihm die Hände zitterten, Schweiß ihm in den Augen brannte. Er mußte zu viele Instrumente ablesen, hatte zu viele Systeme zu überwachen, zu viele Daten zu verarbeiten. Und sein Computer konnte ihn nicht unterstützen. Er hatte übertrieben wirksame Regulatoren: dieselben Vorrichtungen, die es Angus ermöglichten, die Strahlende Schönheit ganz allein zu fliegen, gäben Alarm und schalteten das Schiff komplett ab, falls er die Kontrolle über sie dem Computer abtrat. Trotz allem hielt er durch. Sein Gespür hatte ihn gewarnt, und er hörte immer auf seine Ahnungen.
    Angus Thermopyle war Pirat und Claim-Räuber. Er haßte jeden, und an seinen Händen klebte genug altes Blut für ein ganzes Zuchthaus voller Krimineller. Gegenwärtig mußte er allein fliegen, weil er dem als Crewmitglied angeheuert gewesenen, verkommenen Säufer, als er den Fehler beging, zur falschen Zeit die falsche Frage zu stellen, mit einem Schraubenschlüssel den Schädel plattgeklopft und die Leiche in eine Triebwerksdüse gestopft hatte, damit das nächste Anwerfen des Antriebs sie einäscherte. Stinkreich mochte Angus nicht gewesen sein, aber wahrscheinlich hatte er sämtliche übrigen Eigenschaften, die ihm die Leute nachsagten, die bei Mallory verkehrten.
    Außerdem war er ein Feigling.
    Folglich suchte er vor dem Hyland-Raumschiff mit soviel G das Weite, wie er verkraften konnte, ohne das Bewußtsein zu verlieren. In seinen Schultern fingen die Muskeln zu zucken an, und er schaffte es nicht, sich den Schweiß aus den Augen fernzuhalten; aber er blieb auf der Flucht. Sobald er merkte, daß er sich zuviel zumutete, ließ er deswegen keineswegs locker; statt dessen spritzte er sich Medikamente in die Venen, Stimulantien zum Wachbleiben und das übliche Kataleptikum zur Stabilisierung des Körpers.
    Er flüchtete aus Furcht.
    Ehe er sich dem Asteroidengürtel genügend annäherte, um das Bremsmanöver einzuleiten, flog er einen halben Standardtag lang unter schwerer G-Belastung. Inzwischen verursachten die Medikamente ihm mit wachsender Regelmäßigkeit psychotische Erlebnisse, und er wußte nicht mehr genau, was er eigentlich anstellte. Allerdings kannte er sich seit langem mit den Begleiterscheinungen der Medikamente aus; schon bevor er sie zu gebrauchen anfing, hatte er gewußt, was für Folgen ihn erwarteten. Also hatte er die Vorsichtsmaßregel getroffen, den Kurs der Strahlenden Schönheit im voraus zu speichern. Als ihm am Ende keine Wahl mehr blieb, als die Kontrolle über die Bordsysteme an den Steuercomputer abzugeben, bewältigten statt Angus die Kursprogrammierung und die Regulatoren das schwierige Bremsmanöver. Im Ergebnis gelangte er ohne Kollisionen – und ohne mitsamt dem Raumschiff in den Wahnsinn abzutrudeln – in einen Teil des Asteroidengürtels, in dem, wie jeder wußte, sich das Schürfen seit Jahren nicht mehr lohnte, einen langgestreckten Strang umherschwebender Felsbrocken, in dem er wahrscheinlich kein anderes Raumschiff antraf.
    Dort suchte er sich einen geeigneten, leblosen Asteroiden, parkte die Strahlende Schönheit in einem alten Abraumkrater, deaktivierte alles außer dem Lebenserhaltungssystem und legte sich, vom Kat zu guter Letzt bis zur Umnachtung beduselt, im G-Andrucksessel schlafen.
    Sollte das Hyland-Schiff ihn hier aufspüren können, hatte er ohnehin keine Chance mehr.

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