0760 - Chaos in der Koboldwelt
»Er muss nicht erst wieder hervorgelockt werden. Er ist längst wieder da!«, zischte Stygia.
»Trotz der magischen Kugel, die ich ihm verpasst habe«, sagte Calderone, der vor kurzer Zeit zum Ministerpräsidenten der Hölle avanciert war. »Merlin rettete seinem Dunklen Bruder in seiner Regenerationskammer nur ganz knapp das Leben. Asmodis wird nie wieder der Alte sein.« [1]
»Er war Fürst der Finsternis, doch er entdämonisiert immer mehr«, sagte Stygia nachdenklich. »Was soll noch aus ihm werden?«
»Ein zweiter Zamorra?«, fragte Marchosias.
Aus Stygias Augen stoben Funken.
»Warum nennst du mir diesen Namen?«, fauchte sie den Wolfsdämon an.
»Auch er hat ein Interesse an der Koboldwelt«, erinnerte Marchosias. »Wenn dort etwas geschieht, dürfte auch er zur Stelle sein.«
Calderone tat sehr uninteressiert.
»Wen stört es, wenn Würmer zertreten werden?«, fragte er. »Ich halte die Kobolde für völlig unbedeutend. Lasst sie herumtollen, mitunter die Menschen necken und ihre Späßchen durchführen.«
»Baal sind die Kobolde nicht zu unbedeutend gewesen«, gab Marchosias zu bedenken. [2] »Das Koboldland hat eine Schlüsselstellung. Dort entscheidet es sich, wer in dem großen Kampf gewinnt, der schon Äonen währt und in dem sich entscheidet, ob dereinst die Helle oder die Dunkle Seite das Multiversum beherrscht.«
Calderone winkte nur geringschätzig ab. Was Marchosias von sich gab, war lächerlich.
»Gibt es noch etwas Wichtiges zu besprechen, Stygia?«, fragte er.
Sie musterte ihn wieder. Zwischen ihnen bestand ein sehr angespanntes Verhältnis. Gerade erst waren sie heftig aneinander geraten, und nun versuchte einer den anderen auszuschalten. Das ging aber nicht öffentlich vor sich, sondern nur mittels Tricks und Intrigen. Darin waren sie wohl beide Meister, die Fürstin der Finsternis und der Herr der Hölle. Stygia gab sich über ihn keinen Illusionen hin. Wenn er die Chance bekam, sie zu vernichten, würde er das tun. So wie sie es auch tun würde. Einst war er ihr Helfer gewesen, doch er hatte sich leider zu schnell aus ihrer Abhängigkeit gelöst.
Seine Machtgier kannte keine Grenzen. Sein Aufstieg war unglaublich -von einem normalen Menschen zum Dämon und bis zu dem hohen Rang, den er jetzt inne hatte. Er hatte sie glatt überflügelt und ihr den Thron genommen, den sie selbst anstrebte.
Er musste seine Gründe haben, sie von der Koboldwelt fernzuhalten und deren Bedeutung herunterzuspielen.
Dort braut sich etwas zusammen, dachte sie. Oder Calderone hat selbst etwas vor.
Eine Engelei, sozusagen, also etwas, was ihren teuflischen Interessen total zuwiderlief.
Ihre Flügel kratzten mit einem durchdringenden Laut über die Lehne des Knochenthrons.
»Wir werden uns um die Koboldwelt kümmern«, sagte sie dreist. »Ich habe es soeben beschlossen. - Marquis, Ihr erwähntet neulich, Ihr hättet ein kampfstarkes Trio in Eurem Dienst, das darauf brennt, sich auszuzeichnen?«
»Er meint seinen Vetter und dessen Intimfreunde«, warf Calderone ein. »Die brauchen wir nicht. Wenn es darum geht, die Kobolde einzukassieren oder ganz auszurotten, können meine Diener das leicht erledigen.«
»Nein«, bestimmte Stygia. »Marchosias -rufe das Höllische Dreigestirn herbei! - Ich will ihnen persönlich den Auftrag erteilen. - Calderone, dir ist die Koboldwelt offenbar nicht wichtig. Daher möchte ich dich nicht mit der Ausführung meines Willens belästigen.«
Calderone bemerkte ihre Dreistigkeit sehr wohl, doch der hoch gewachsene Mann im dunklen Umhang zeigte keine Regung, sondern blieb völlig gelassen.
Marchosias richtete sich auf die Hinterpranken auf und brüllte, dass es durch den Thronsaal hallte.
Was für ein Poseur! dachte Calderone.
Der Wolfskopf liebte die große Schau.
Nun spie er auch noch Feuer, ließ seinen Schwanz kreisen - eine Schlange mit gifttriefenden Zähnen.
»Aus den Tiefen des Abgrunds rufe ich euch!«, donnerte die Stimme des Marquis. »Vetter Armand Barbe Feu, Konnetabel der Hölle, mit deinen Zerberussen Reißer und Beißer, erscheine! - Sechszackiger Buer, zeige dich! -Capitaine Centaure, Todbringender, der du Blitze schleuderst, komm hierher! Ihr, die ihr den Tod sät, das Grauen bringt, die ihr euch am vergossenen Blut erfreut und für die der Schakal in der Nacht heult - erscheint!«
Idiot, dachte Calderone aus seiner Erinnerung an die Zeit heraus, als er noch ein Mensch gewesen war. Scheußlicher Angeber.
Er konnte sich nicht mehr
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