Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Stimme. »Woraus? Aus dem Flug der Rächer in die Umgebung des Valdor-Systems? Und Min Donners Anwesenheit an Bord der Rächer?«
Maxim schlug einen schärferen Ton an. »Ich leite es aus fortgelassenen Erklärungen ab.« Nun verzichtete er auf jede Anstrengung, um seine innere Erbitterung zu verheimlichen. »Ich schließe es aus der unwahrscheinlichen Häufung sonderbarer Zufälle. Und aus der Erkenntnis, daß Warden Dios’ Position bis zur Unhaltbarkeit ins Wanken geraten ist. Haben Sie Zweifel an meinen Überlegungen, Konzilsvorsitzender? Dann sagen Sie mir, wie Sie die Tatsache erklären, daß die Rächer das Gefecht gegen die Defensiveinheit abgebrochen hat. Min Donner ist für ihre unverbrüchliche Rechtschaffenheit und ihre Streitbarkeit bekannt. Wieso hätte sie von einer offenkundig erforderlichen Pflichterfüllung abweichen sollen, hätte sie nicht den ausdrücklichen Befehl gehabt, die Defensiveinheit entweichen zu lassen, damit das Risiko reduziert wird, daß sich dieser militärische Zusammenstoß zu einem richtiggehenden Krieg auswächst? Warden Dios will nur die Kriegs gefahr, aber keinen tatsächlichen Krieg. Und wer weiß, der von ihm betriebene Amtsmißbrauch könnte längst sogar solche Ausmaße angenommen haben, daß die VMKP nicht mehr dazu in der Lage oder dafür ausgerüstet ist, um einen Krieg gegen die Amnion durchzustehen.«
»Die Rächer war beschädigt«, wandte Len matt ein. »Das ist auch Ihnen nicht entgangen. Warden Dios behauptet, sie hätte die Defensiveinheit nicht bezwingen können.« Er schwieg kurz. »Der Amnioni verfügt über ein Superlicht-Protonengeschütz.«
Maxim nickte, ohne dem Konzilsvorsitzenden recht zu geben. »Ich bezweifle durchaus nicht, daß sich der Polizeipräsident an die Fakten hält. Aber falls Sie meinen, deswegen würde meine Argumentation geschwächt, fragen Sie sich nur einmal, warum dann wohl die Rächer überhaupt für diesen Auftrag ausgewählt worden ist. Vielleicht eben aus dem Grund, weil sie im nachhinein die vollauf gerechtfertigte Aussage treffen konnte, zur Vernichtung der Defensiveinheit nicht imstande gewesen zu sein.«
Damit verstummte Maxim. Er hatte alles so verständlich dargelegt, daß selbst ein Halbidiot wie Len es begreifen mußte. Nun wartete er auf die offizielle Stellungnahme des Konzilsvorsitzenden.
Len grübelte über das Unheil nach, als könnte er es oben an der Zimmerdecke erkennen. Trotz seiner schlaffen Körperhaltung war bei ihm erhebliche innere Angespanntheit zu spüren. Noch immer vermied er es, Maxim anzublicken. »Sonderbevollmächtigter«, fragte er, indem er sich um strengen Ton bemühte, »um was geht es Ihnen? Wann kommen Sie zu der versprochenen ›Vereinfachung‹ meiner Situation?«
Das Unbehagen, das er Abrim Len verursachte, bereitete Maxim grimmige Zufriedenheit. Er hatte sich jedoch zu sehr in der Gewalt, um seine Schadenfreude zu zeigen; statt dessen konzentrierte er sich auf sein Anliegen.
»Ich habe meiner Besorgnis Ausdruck verliehen, Konzilsvorsitzender«, gab er mit eingeübter Unterwürfigkeit zur Antwort. »Es ist klar, daß diese Einsichten dem Regierungskonzil zur Kenntnis gelangen müssen. Das ist schlichtweg unvermeidlich. Von Warden Dios’ Verläßlichkeit hängt die Zukunft der ganzen Menschheit ab. Leider fällt die Pflicht, das Regierungskonzil über meinen Verdacht zu informieren, Ihnen zu. Mir fehlt der Status, um sie Ihnen abnehmen zu können. Als lediglich mit der Untersuchung des Falls Thermopyle betrauter Sonderbevollmächtigter habe ich keinerlei Autorität, um während einer Krisensitzung, in der über eine Alien-Kriegshandlung beraten werden soll, das Wort zu ergreifen. Es geht mir darum, Konzilsvorsitzender« – vordergründig kam er mit vollkommenem Gleichmut zur Sache –, »Sie von dieser unschönen Pflicht zu befreien. Wenn Sie mir das erforderliche Rederecht verschaffen, übernehme ich selbst die Verantwortung dafür, das Konzil in meinen Verdacht einzuweihen.« Und ersparte dem Konzilsvorsitzenden damit genau die Art von Konfrontation, die Abrim Len scheute. Aber er machte ihm ein zusätzliches, trügerisches Angebot. »Und ferner trage dann ich das Risiko einer Blamage – oder vielleicht sollte ich es als Beschämung bezeichnen –, sollte sich herausstellen, daß meine Sorgen unbegründet sind.«
Lens Gliedmaßen zuckten. Mit einem Ruck drehte er den Kopf mitsamt offenem Mund Maxim zu. Inzwischen war ihm das Angewidertsein nicht mehr so unverhohlen anzusehen:
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