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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Vielmehr spiegelte sein Blick jetzt geistige Prozesse des Urteilens wider. Man hätte meinen können, er versuchte einzuschätzen, wie groß Maxims Ehrgeiz war; doch höchstwahrscheinlich dachte er nur darüber nach, ob er den Vorschlag des Sonderbevollmächtigten annehmen durfte.
    Endlich schloß er den Mund und räusperte sich; als er antwortete, schien es, als dränge seine Stimme aus einem Nebenzimmer herüber, so leise war sie. »Wenn es Ihnen gelingt, Sen Abdullah zu überreden, Ihnen eine formelle Stellvertretungsvollmacht zu bewilligen, und diese Vollmacht vor Eröffnung der Krisensitzung meinem Büro vorliegt, gestatte ich Ihnen, an seiner Stelle zum Regierungskonzil zu sprechen. Es ist zwar unüblich, aber dafür kann ich die Auslegung der Vorschriften gerade noch weit genug dehnen. Dann hätten Sie das gleiche Rederecht wie ein ordentlicher Konzilsdelegierter.«
    Sofort erhob sich Maxim vom Sofa. »Vielen Dank, Konzilsvorsitzender.« Daß ihm Abdullahs Zustimmung sicher war, wußte er schon. Der Konzilsdeputierte der Ostunion haßte Warden Dios. Einige Angehörige seiner Klientel hatten ein Vermögen verloren, als Warden Dios Generaldirektor Fasner dabei behilflich gewesen war, den Bankrott und die Vereinnahmung der Forschungs- und Erschließungsgesellschaft Sagittarius AG zu betreiben.
    Maxim wartete nicht darauf, daß Abrim Len sich von ihm verabschiedete. So unauffällig wie möglich verließ er die Amts- und Wohnräume des Konzilsvorsitzenden.
    Gott im Himmel, Cleatus Fane sollte noch bereuen, daß er sich geweigert hatte, mit ihm zu telefonieren. Sonderbevollmächtigter Maxim Igensard hatte soeben bewiesen, daß er eine Kraft verkörperte, mit der gerechnet werden mußte.

 
MARC
     
     
    Für seinesgleichen war es typisch, daß die Vernichtung der Sturmvogel – und damit auch der Tod der an Bord befindlichen Amnion – Marc Vestabule nicht beeindruckte.
    Das Raumschiff als solches war lediglich ein technisches Instrument gewesen, zeitweilig nützlich als Machtmittel eines Verbündeten; letzten Endes interessanter im Hinblick auf die Produktionsmethoden, mit denen es fabriziert worden war, als wegen seiner Charakteristika. Gleiches galt für die menschliche Besatzung: Sie umfaßte Menschen statt Amnion, hatte nur insofern Bedeutung, als sie den Amnion diente – und vielleicht einmal für Forschungszwecke zur Verfügung stand. Und die Amnion an Bord der Sturmvogel waren entbehrlich. An dem Eiweißsekret, aus dem sich neue Amnion züchten ließen, gab es keinen Mangel; bei Bedarf konnte jeder Amnioni sie literweise ausscheiden. Daher war es möglich, jedes Individuum durch ein neues Exemplar mit den gleichen Fähigkeiten und Eigenschaften zu ersetzen.
    Nicht einmal Milos Taverner, trotz seines wertvollen Erbes, lohnte es sich zu beklagen. Physisch war er eine nahezu einwandfreie Transformation gewesen, besser gelungen als Marc Vestabule. Die Geist-Gemeinschaft hatte relevante Fortschritte erzielt. Psychisch hingegen war er ein gescheitertes Experiment: Er hatte zuwenig von seiner früheren Identität beibehalten. Ein Amnioni, der äußerlich wie ein Mensch aussah, aber wie ein Amnioni dachte, redete und handelte, konnte zu leicht entlarvt werden; darum taugte er nicht für den Einsatz gegen die Menschheit.
    Wie alle Amnion verschwendete Marc Vestabule an den Untergang der Sturmvogel weder Aufmerksamkeit noch Emotionen.
    Dagegen verlangte die Tatsache, daß die Sturmvogel plötzlich Stiller Horizont in den Rücken gefallen war, größte Beachtung. Insbesondere erforderte sie Marc Vestabules Aufmerksamkeit. Bei ihm lag auf Stiller Horizont die Entscheidungsgewalt. Und er erinnerte sich an mehr seines einstigen Menschseins als jeder andere Amnioni seiner Art.
    Weil er sich so gut erinnerte, war er unersetzlich.
    Sorus Chatelaines Verrat hatte durch und durch dem menschlichen Wesen entsprochen: Kein Amnioni hätte sich eine solche Tat auszudenken, geschweige denn sie auszuführen vermocht. Selbst Marc Vestabule durchschaute sie nur mit erheblicher Mühe. Ihre Implikationen zu ergründen, löste bei ihm so tiefe Übelkeit aus, daß sie ribonukleinischen Ursprungs hätte sein können.
    Dennoch dachte er gründlich darüber nach. Die Zwangslage, die durch das Entkommen der Posaune verursacht worden war, machte es nötig.
    Viele seiner alten Erinnerungen waren erloschen, doch er entsann sich noch des Endes seiner Lebensphase an Bord des Human-Raumschiffs, auf dem er einmal gedient hatte, des Frachters Süße

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