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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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heranrückte.
    Warden Dios war keineswegs ein Hellseher. Er hatte ganz einfach schreckliche Furcht.
    Anmerken ließ er sich indessen nichts. Das Technische Personal ringsum hätte seine IR-Sicht gebraucht, um von seinem Bangen etwas zu erkennen. Unerschütterlich saß er im Sessel, als könnte nichts außer dem eigenen Willen ihn je vom Fleck bewegen. Seine großen Fäuste ruhten, als wären sie aus Stein, auf den Armlehnen. Sein Atem ging ruhig; tief und gleichmäßig. Das eine menschliche Auge seines Gesichts glitzerte in geballter Konzentration, ein Ausdruck, dem seine meisten Mitarbeiter zu vertrauen gelernt hatten.
    Die Stimmung im Operativen Kommandozentrum – und beim benachbarten VMKP-HQ-Kommandostab war gleicherweise erwartungsvoller und entspannter, als sie es in seiner Abwesenheit gewesen wäre. Daß er sich hier eingefunden hatte, bewies seinen Leuten, daß etwas Bedeutsames bevorstand. Und gleichzeitig glaubten sie, daß sie damit, was auch kommen mochte, fertigwerden konnten, solange er persönlich achtgab.
    Deshalb verheimlichte Warden Dios seine Furcht. Er meisterte sie dank seiner Entschlossenheit, niemanden im Stich zu lassen, der auf ihn baute: weder seine Untergebenen noch das EKRK, nicht Leutnantin Hyland und ihre Begleitung: die Menschheit nicht. Lange genug hatte er als Holt Fasners Komplize bei seinen Schweinereien mitgespielt; vielleicht zu lange. Jetzt hatte er endlich damit Schluß gemacht.
    Wenn es ihm durchführbar war – und die Posaune ihren Beitrag leistete –, beabsichtigte er das Unheil, das aus den Fehlern seines Lebens resultiert war, zu beheben.
    Folglich bestand seine einzige Reaktion, als ein Techniker ihn plötzlich halblaut ansprach, nur aus einem Anheben der Brauen. »Polizeipräsident, da ist ein Anruf aus dem VMK-Chefbüro für Sie. Es ist Generaldirektor Fasner.«
    Warden nickte, aber nahm den Anruf nicht sofort entgegen. Statt dessen überlegte er erst einen Moment lang, ob er lieber privat, ohne Zuhörer, mit Holt Fasner telefonieren sollte. Dann hörten seine Leute nicht, wie sein Chef mit ihm umsprang. Allerdings bekamen sie dann genausowenig mit, wie er sich verhielt.
    Es war für ihn höchste Zeit, endlich Farbe zu bekennen.
    »Schalten Sie auf die Lautsprecher«, wies Warden den Techniker an. »Ich spreche hier mit ihm.«
    »Jawohl, Sir.« Der Techniker tippte Tasten, und mit leisem, magnetischem Knacken gingen die Lautsprecher des Kommandozentrums in Betrieb.
    Warden drehte den Kopf ans Mikrofon. »Generaldirektor«, sagte er ohne zu zögern, »können wir uns kurz fassen? Ich habe alle Hände voll zu tun.«
    »›Kurz?‹« schnob Fasner wütend. Eventuell unterstellte er, daß Warden allein war; oder dergleichen scherte ihn nicht mehr. »Verflucht noch mal, Dios, ich bin Ihr Boss. Ich rede mit Ihnen, so lang ich es wünsche und wann ich es will.«
    »Das erachte ich nicht als sinnvoll«, entgegnete Warden. Er sprach, als wüßte er nicht, daß das gesamte Technische Personal zuhörte und ihn beobachtete. »Wenn ich meine ganze Zeit herumbringe, indem ich mit Ihnen rede, kann ich meine Aufgabe nicht erfüllen.«
    »Hören Sie zu…!« Unter der Oberfläche von Holt Fasners Zorn kochte und brodelte eine tiefergehende Leidenschaft. »Es ist Ihre Aufgabe, mit mir zu reden. Sie arbeiten für mich. Und momentan hängt ihr Schicksal am seidenen Faden. Sie beschwören mehr Übel herauf, als ich zur gleichen Zeit handhaben kann.«
    Vor kurzem hatte Norna Fasner zu Warden gesagt, ihr Sohn fürchtete sich zu sehr vor dem Tod. Dadurch wird sein Denken verzerrt. Er will ewig leben. Da hatte diese Aussage bei Warden noch Fassungslosigkeit hervorgerufen. Inzwischen jedoch begriff er sie besser. Jetzt glaubte er, der Stimme des VMK-GD die geheime Gier nach dieser unerreichbaren Errungenschaft anzuhören. Seit vielen Jahren betrieb Holt Fasner gegenüber den Amnion ausschließlich eine Politik des ruhelosen Friedens. Zwar wollte Fasner den Frieden: Er bildete die Voraussetzung für Handel und Wohlstand. Wurde jedoch der Friede zu sicher, zu einer verläßlichen Gewißheit, ergab sich daraus Desinteresse. VMKP und VMK gingen gleichermaßen der moralischen Autorität verlustig, ihres Status der Unentbehrlichkeit. Dadurch schwände Fasners Macht über den Human-Kosmos. Und damit wiederum verringerte sich der Druck, den er auf die Amnion ausüben konnte. Es verminderten sich Gewinn und Profit. Er hatte die Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes aus ein und demselben Grund

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