Amnion 5: Heute sterben alle Götter
zu kompliziert wurde, als daß er noch großen Einfluß auf den Verlauf gehabt hätte, hatte er Angus freigesetzt, damit er seine Pläne für ihn verwirklichte.
Die Zukunft der Menschheit lag in ihren Händen.
Ciro wußte Bescheid.
Morn hatte durchaus das Gefühl, nun zum Treffen der Entscheidung imstande zu sein.
Sie schob es trotzdem noch für einen Moment auf. »Wieviel vom Ganzen«, fragte sie, beobachtete aufmerksam Angus’ Miene, »ist in deinen Datenspeichern enthalten?«
Sie meinte: Was weißt du über Warden Dios’ Absichten?
Wenn der VMKP-Polizeipräsident ein Versprechen erfüllte, war es vielleicht nicht das letzte Mal.
Angesichts der Verzögerung zeigte Angus Mißmut. »Manches.« Doch er unterdrückte seine Enttäuschung. »Hauptsächlich Ressourcen. Möglichkeiten. Ansätze. Ich glaube, nicht einmal Dios hat so ein Desaster vorhergesehen. Er ist bloß überaus tüchtig darin, für Notfälle vorauszuplanen. Aber ich weiß, wie ich alles am nützlichsten anwenden kann.«
Seine Beteuerung lief auf einen Schwur hinaus einen Eid der Art, den vielleicht Min Donner abgelegt hatte, als sie die Hand hob und Angus zum Ziel bot. Dann stieß er ein Lachen aus, das nach statischen Störgeräuschen klang. »Kann sein, daß er mich gerade deshalb ausgesucht hat. Was das angeht, hätte er keinen besseren Mann finden können.«
Sobald Morn völlige Sicherheit verspürte, daß er die Wahrheit gesprochen hatte, war sie zu ihrem Entschluß bereit.
Vor Tagen – in einem gänzlich anderen Lebensabschnitt, schien es ihr jetzt – hatte er sie beschworen, ihm das Frisieren seines Data-Nukleus zu gestatten. Er hatte eine Abmachung mit dir getroffen, war sie von ihm erinnert worden. Ich hatte dir das Zonenimplantat-Kontrollgerät gegeben. Du hast mir weiterzuleben ermöglicht. Und er hatte erklärt: Ich habe mich nach der Vereinbarung gerichtet. Unabhängig davon, ob du’s auch so hältst oder nicht…
Soweit Morn es ersehen konnte, war auch das die Wahrheit.
Immer wenn ich dir Leid zugefügt habe, hatte er gesagt, habe ich mir selbst weh getan. Morn wußte, inwiefern sie ihm vertrauen durfte.
»Also gut.« In den eigenen Ohren hörte ihre Stimme sich nach übermenschlicher Gelassenheit an; als wäre sie genauso kaltschnäuzig wie Angus. Irgendwie überwand sie in diesen Augenblicken ihre Furcht und Besorgnis, fand die seit langem gesuchte Lösung. Die Schwere ihres Schicksals allein, so als hätte der dahingegangene Deaner Beckmann mit seinen Hypothesen recht gehabt, zog sie in ein Gefilde einer völlig neuartigen geistigen Klarheit. Davies hatte schon in das Risiko eingewilligt. »Wir machen es auf deine Tour. Du mußt uns nur genau erläutern, wie du’s dir vorstellst. Du spielst nach veränderten Regeln. Ich auch. Vielleicht können wir die Regeln des gesamten Spiels umwerfen.«
Sie lehnte sich in den Andrucksessel und spürte, wie eine ungewohnte Ruhe sich in ihrem Herzen ausbreitete.
WARDEN
Warden Dios erhielt viel Zeit zum Nachdenken, während er darauf wartete, daß Morn Hyland wieder mit ihm Verbindung aufnahm; reichlich Gelegenheit zum Grübeln. Mehr als genug Zeit, um zu erkennen, in welchem Umfang er eigentlich auf sie und nur sie baute.
Gott, er hatte alles auf sie gesetzt…
Außer wenn Hashi Lebwohl die gesuchten Beweise entdeckte – oder bis es soweit war –, blieb sie die einzige Zeugin, die Koina Hannishs Beschuldigungen gegen Holt Fasner untermauern konnte. Ohne sie stützte sich die Glaubwürdigkeit all dessen, was Direktorin Hannish dem Regierungskonzil vorzutragen hatte, ausschließlich auf Dios’ persönliche Aussagen, die sich als Hirngespinste verwerfen ließen.
Zudem hatte Morn Hyland das Kommando über die Rächer. Offenbar hatte sie mit Min Donner irgendeine Absprache getroffen; die OA-Direktorin mitsamt ihrer Rechtschaffenheit für sich gewonnen. Jetzt verfügte sie faktisch über die Macht, das gesamte Sonnensystem in Kampf und Verwüstung zu stürzen, falls es Dios mißlang, Marc Vestabule zur Annahme ihrer Bedingungen zu bewegen.
Sie und Davies hatten Angus Thermopyle dabei geholfen, den Data-Nukleus seines Interncomputers zu frisieren. Sie hatte es zugegeben. Und das Schicksal des Raumfrachters Süße Träume war ihr bekannt gewesen, bevor sie sich dazu entschlossen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte Thermopyle ihr über sich das gräßlichste Verbrechen seiner Ganovenlaufbahn ausgeplaudert. Dennoch hatte sie ihm Vertrauen entgegengebracht.
Warden Dios war
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